Cocktails fuer drei
Wochen in der Karibik braun gebrannt. Die Nase nach wie vor lang, nach wie vor krumm. Wallendes, dunkelblondes Haar, das von einem perlenbesetzten Kamm gehalten wurde. Vielleicht wallte es etwas zu wild. Roxanne suchte in ihrer Tasche nach einer Bürste und fing an, es zu bändigen. Sie trug – wie so oft – ein weißes T-Shirt. Ihrer Meinung nach gab es nichts auf der Welt, was Sonnenbräune besser hervorhob als ein schlichtes weißes Shirt. Sie steckte die Bürste weg und lächelte, da sie unwillkürlich von ihrem eigenen Spiegelbild beeindruckt war.
Dann rauschte hinter ihr eine Toilettenspülung, und eine Kabinentür ging auf. Ein etwa neunzehnjähriges Mädchen trat heraus und stellte sich neben Roxanne, um sich die Hände zu waschen. Sie hatte helle, glatte Haut und dunkle, träumerische Augen, das Haar fiel glatt auf ihre Schultern, wie die Fransen eines Lampenschirms. Ein Mund wie eine Pflaume. Nicht das geringste Make-up. Das Mädchen fing Roxannes Blick auf und lächelte, dann ging es hinaus.
Als sich die Schwingtür geschlossen hatte, stand Roxanne noch immer da und starrte sich im Spiegel an. Plötzlich kam sie sich vor wie eine aufgetakelte Fregatte. Eine dreiunddreißigjährige Frau, die sich viel zu sehr mit ihrem Äußeren beschäftigte. Im selben Augenblick wich alles Leben aus ihrem Gesicht. Ihre Mundwinkel sanken herab, und das Leuchten verschwand aus ihren Augen. Leidenschaftslos fiel ihr Blick auf die kleinen roten Äderchen, die sich über ihre Wangen zogen. Sonnenschaden nannte man so was. Schadhafte Ware.
Da hörte sie die Tür, und ihr Kopf fuhr herum.
»Roxanne!« Maggie kam auf sie zu, mit sonnigem Lächeln im Gesicht. Ihr nussbrauner Bob schimmerte im Licht.
»Süße!« Roxanne strahlte sie an und warf ihr Make-up-Täschchen in eine größere Prada-Tasche. »Ich war gerade dabei, mich aufzuhübschen.«
»Völlig überflüssig!«, sagte Maggie. »Sieh dir an, wie braun du bist!«
»Kommt von der karibischen Sonne«, sagte Roxanne fröhlich.
»Behalt’s für dich«, sagte Maggie und hielt sich die Ohren zu. »Das will ich alles gar nicht wissen. Es ist einfach total unfair. Wieso habe ich als Redakteurin eigentlich nie auch nur einen einzigen Reiseartikel geschrieben? Wie konnte ich nur so blöd sein!« Sie deutete mit dem Kopf zur Tür. »Geh und leiste Candice Gesellschaft. Ich komm gleich nach.«
Als sie die Bar betrat, sah Roxanne, dass Candice dort allein saß und die Cocktail-Karte studierte. Unwillkürlich musste sie lächeln. Candice sah immer gleich aus, wo sie auch war, was sie auch trug. Ihre Haut wirkte immer frisch geschrubbt und leuchtend, ihre Haare waren immer ordentlich kurz geschnitten, und wenn sie lächelte, hatte sie immer Grübchen an denselben Stellen. Und immer blickte sie mit denselben großen, vertrauensvollen Augen auf. Kein Wunder, dass sie so gut Leute interviewen konnte, dachte Roxanne. Man taumelte geradezu in diesen freundlichen Blick hinein.
»Candice!«, rief sie und wartete darauf, dass ihre Freundin den Kopf heben, sie erkennen und lächeln würde.
Es war schon merkwürdig, dachte Roxanne. Sie konnte ganz und gar unberührt an jedem noch so süßen Baby vorbeispazieren, ohne dass jemals ihr Mutterinstinkt geweckt wurde. Aber manchmal, wenn sie Candice ansah, versetzte es ihrem Herzen einen Stich. Dann überkam sie ein obskurer Drang, dieses Mädchen mit dem runden Gesicht und der kindlichen Stirn zu beschützen. Aber wovor? Vor der Welt? Vor finsteren, übelwollenden Fremden? Im Grunde war es lächerlich. Wie groß war denn der Altersunterschied zwischen ihnen? Doch höchstens vier oder fünf Jahre. Die meiste Zeit schien er gar nicht zu existieren, trotzdem kam sich Roxanne manchmal eine ganze Generation älter vor.
Sie trat an den Tisch und gab Candice ein Küsschen rechts und links auf die Wange.
»Hast du schon bestellt?«
»Ich guck noch«, sagte Candice und deutete auf die Karte. »Ich kann mich nicht entscheiden zwischen Summer Sunset und Urban Myth.«
»Nimm einen Urban Myth«, sagte Roxanne. »Summer Sunset ist knallrosa und kommt mit einem Schirmchen.«
»Wirklich?« Candice runzelte die Stirn. »Ist das schlimm? Was nimmst du denn?«
»Margarita«, sagte Roxanne. »Wie immer. Auf Antigua habe ich mich von Margaritas ernährt.« Sie langte nach ihren Zigaretten, dann dachte sie an Maggie und ließ es sein. »Margaritas und Sonnenschein. Mehr braucht man nicht.«
»Und … wie war’s denn so?«, fragte Candice. Mit blitzenden
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