Cocktails fuer drei
war es das. »Good-Time Gordon« hatte es schlau angestellt. Er hatte nie sein eigenes Geld benutzt, nie sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt. Nur das anderer Leute. Anderer gutgläubiger Trottel, die zu gierig waren, um Nein zu sagen. Wie ihr armer, unbesonnener, dummer Dad. Bei diesem Gedanken biss Heather die Zähne zusammen, und ihre Hände krallten sich um das silberne Tablett.
»Heather!« Es war André, der Oberkellner, der sie vom Tresen her rief. »Was stehst du da rum? Die Gäste warten!«
»Komme schon!«, rief Heather zurück. Sie stellte das Tablett ab, schüttelte ihre Haare aus und band sie mit einem Gummi zusammen. Dann nahm sie ihr silbernes Tablett und ging entschlossen zum anderen Ende des Tresens, ohne ihren Blick auch nur einen Moment von Candice Brewin abzuwenden.
»Alle nannten ihn nur ›Good-Time Gordon‹«, sagte Candice mit bebender Stimme. »Er war immer da, wo es was zu feiern gab. Der Mittelpunkt jeder Party.« Sie nahm noch einen Schluck von ihrem Cocktail. »Bei jeder Schulveranstaltung, jedem Sportereignis. Ich dachte immer, es läge daran, dass er … na ja, dass er stolz auf mich war. Aber eigentlich wollte er nur Geschäftskontakte knüpfen. Frank Trelawney war nicht der Einzige. Er hat alle unsere Freunde geködert, alle unsere Nachbarn …« Ihre Hand krampfte sich um das Glas. »Sie tauchten alle nach der Beerdigung auf. Einige hatten bei ihm investiert, andere hatten ihm Geld geliehen …« Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Cocktail. »Es war das Grauen. Diese Leute waren unsere Freunde. Und meine Mutter und ich haben von alldem keine Ahnung gehabt.«
Roxanne und Maggie sahen sich an.
»Woher weißt du, dass Heathers Vater darin verwickelt war?«, fragte Maggie.
»Ich habe es herausgefunden, als ich die Unterlagen durchging«, sagte Candice mit leerem Blick. »Meine Mutter und ich mussten das Chaos in seinem Arbeitszimmer sortieren. Es war einfach … niederschmetternd.«
»Wie hat deine Mum es aufgenommen?«, fragte Maggie interessiert.
»Es war schlimm«, sagte Candice. »Das könnt ihr euch ja vorstellen. Manchen Leuten hatte er ernstlich weisgemacht, sie sei Alkoholikerin und er müsse sich Geld leihen, um sie auf eine Entziehungskur zu schicken.«
Roxanne prustete vor Lachen, dann sagte sie: »Entschuldige.«
»Man kann mit ihr immer noch nicht darüber sprechen«, sagte Candice. »Ich glaube, sie hat sich mehr oder weniger eingeredet, dass es gar nicht passiert ist. Sobald ich davon anfange, wird sie gleich hysterisch …« Sie hob die Hand und massierte ihre Stirn.
»Ich hatte ja keine Ahnung«, sagte Maggie. »Davon hast du nie was erzählt.«
»Na ja«, sagte Candice knapp. »Ich bin nicht wirklich stolz darauf. Mein Vater hat großen Schaden angerichtet.«
Sie schloss die Augen, als unerwünschte Erinnerungen an die schreckliche Zeit nach seinem Tod wach wurden. Bei der Beerdigung hatte sie zum ersten Mal gemerkt, dass irgendwas nicht stimmte. Freunde und Verwandte standen in Grüppchen beieinander und hörten auf zu reden, sobald sie näher kam. Ihre Stimmen klangen gepresst und eindringlich. Alle schienen in ein großes Geheimnis eingeweiht zu sein. Als sie an einer Gruppe vorbeikam, hörte sie die Worte: »Wie viel?«
Dann trafen die Besucher ein, angeblich um Candice und ihrer Mutter ihr Beileid auszusprechen. Aber früher oder später drehten sich alle Gespräche um Geld. Um die fünf- oder zehntausend Pfund, die Gordon sich geliehen hatte. Um die Investitionen, die er getätigt hatte. Natürlich dränge es nicht – sie sahen wohl ein, dass die Lage schwierig war –, aber selbst Mrs Stephens, ihre Putzfrau, erkundigte sich nach den hundert Pfund, die sie ihm vor Monaten geliehen und nie zurückbekommen hatte.
Bei dem Gedanken an die betretene Miene der Frau krampfte sich Candice noch heute der Magen zusammen, vor Schmach, vor brennendem, pubertärem Schuldgefühl. Noch heute fühlte es sich an, als hätte sie das alles irgendwie zu verantworten. Obwohl sie nichts davon gewusst hatte, obwohl sie gar nichts dagegen hätte tun können.
»Und was war mit Frank Trelawney?«, fragte Maggie. Benommen schlug Candice die Augen auf und nahm den Cocktailquirl wieder in die Hand.
»Er stand auf einer Namensliste im Arbeitszimmer«, sagte sie. »Er hatte zweihunderttausend Pfund in irgendein Risikokapitalprojekt gesteckt, das nach wenigen Monaten den Bach runterging.« Sie strich mit dem Quirl am Rand ihres Glases entlang. »Erst wusste ich gar
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