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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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kurzen Zeit eine unausgesprochene Feindschaft.
    Piotr verhält sich Dimitri gegenüber wie ein Leibwächter. Unerschütterlich beschützt er seinen Herrn und neigt dazu,
darüber alle anderen zu vernachlässigen. Zudem gibt es einige Verwirrung bezüglich der Aufgabenverteilung im Haushalt. Und weil Piotr nur sehr schlecht französisch spricht und Joseph kein Russisch kann, kommt es in der Küche immer wieder zu Auseinandersetzungen darüber, wer was wann zu erledigen hat.
    Joseph und Marie sind erleichtert, als sie endlich aus Bel Respiro aufbrechen können. Froh darüber, Garches und den seltsamen Vorgängen dort für ein paar Tage zu entfliehen, fahren sie nach Hause in ihr Heimatdorf im Norden.
    Und da Coco und Dimitri immer häufiger fort sind, weil sie entweder ausreiten oder Coco nach Paris fährt, um zu arbeiten, ist das Haus jetzt endlich still. Und Igor ist - abgesehen von dem einsilbigen Piotr - plötzlich allein.

Kapitel 29
    IGOR SITZT AN einem Tisch im Wohnzimmer, die Brille hat er auf den Kopf hochgeschoben. Er hat gerade ein Telegramm von Diaghilew bekommen. »Großfürsten sind für Ladenmädchen immer reizvoller als Genies. Das Ballett reist nach Madrid. Komm mit!« Er knüllt das Papier zusammen und schleudert es an die Wand.
    Diaghilew muss es von Misia gehört haben. Igor hatte recht: Diese Frau ist Gift. Seine erste Reaktion ist, Diaghilew anzurufen und alles richtigzustellen. Doch dann besinnt er sich - was soll er denn richtigstellen? Dass Jekaterina abgereist ist? Dass er immer noch in Bel Respiro wohnt? Zusammen mit Dimitri. Seine Wangen glühen vor Scham.
    Auch Coco hat Post erhalten. Einen in Biarritz abgestempelten Brief. Sie öffnet ihn und sieht eine dünne, blaue Handschrift.
    6. Dezember 1920
    Sehr geehrte Mademoiselle Chanel,
    ich schreibe Ihnen, um Ihnen für die Großzügigkeit zu danken, mit der Sie uns während der vergangenen Monate bei sich aufgenommen haben. Unsere Familie hat schwere Zeiten durchlitten. Wir haben uns noch nicht daran gewöhnt, jetzt einfache Exilanten zu sein, die die Reihen der Besitzlosen in Europa anschwellen lassen. Sie haben viel dazu beigetragen, den Kindern durch diese schwere Phase zu helfen. Ich danke Ihnen dafür, dass Sie ihnen ermöglicht haben, sich in diesem
Land einzuleben und die Schule zu besuchen. Womöglich wird es für die kommenden Jahre ihre Heimat sein.
    Außerdem möchte ich Ihnen für Ihre Bemühungen um meine Gesundheit danken. Ohne Ihre Unterstützung hätte ich die Arzthonorare niemals bezahlen können, und eine Röntgenaufnahme wäre ganz sicher nicht möglich gewesen. Dafür bin ich Ihnen wirklich zutiefst dankbar.
    Es fällt mir deutlich schwerer, jetzt den nächsten Punkt anzuschneiden. Ich habe ihn, wie es meiner Ansicht nach im höflichen Umgang miteinander üblich ist, bis zum Schluss aufgehoben. Ich weiß, dass Sie während der vergangenen Monate meinem Ehemann unnatürlich nahe gekommen sind. Diese Tatsache hat mir, wie Ihnen sicherlich bewusst ist, großen Schmerz bereitet und auch - das kann ich nicht verschweigen - ihren Teil zu meiner Krankheit beigetragen. Sie sind eine unabhängige Frau von außergewöhnlicher innerer Stärke, und dafür respektiere ich Sie. Trotzdem kann ich nicht so tun, als bewunderte ich Ihre Moralvorstellungen, im Gegenteil, ich finde sie in höchstem Maße verabscheuenswürdig. Glücklicherweise sind die Kinder nicht über die genaue Natur Ihrer Beziehung zu ihrem Vater informiert. Dennoch möchte ich Sie bitten, Ihr Gewissen zu erforschen. Bitte beenden Sie die Liaison mit Igor, wenn Sie es nicht schon getan haben, und ermöglichen Sie ihm dadurch, seinen Pflichten als Ehemann und Vater wieder nachzukommen.
    Natürlich trägt er genauso viel Verantwortung für diese bedauerliche Affäre wie Sie. Vielleicht sogar noch mehr, das gebe ich zu. Aber Sie scheinen im Moment eine ungewöhnliche Macht über seine Gefühle zu besitzen. Falls Sie es über sich bringen können, uns zusätzlich zu all den Wohltaten, für die ich Ihnen bereits gedankt habe, noch eine weitere Freundlichkeit zu gewähren, dann, bitte, geben Sie ihn
auf. Vielleicht verwundert es Sie, dass ich immer noch etwas für ihn empfinde, aber wir sind seit so vielen Jahren zusammen.
    Die Kinder brauchen ihren Vater. Ich sterbe Stück für Stück dahin und brauche ihn mehr, als Sie es je tun würden. Außerdem sehen Sie sicher ein, dass Igor Zeit und Ruhe zum Komponieren braucht.
    Ich danke Ihnen sehr für Ihr Entgegenkommen in dieser

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