Coco Chanel & Igor Strawinsky
Angelegenheit. Die Kinder - Ludmilla vor allem - grüßen Sie sehr herzlich.
Mit respektvollen Grüßen
Jekaterina S.
Coco faltet den Brief sorgfältig zusammen und schiebt ihn zurück in den Umschlag. Einen Moment lang hält sie ihn mit beiden Händen fest, als wollte sie seinen Inhalt auf sich wirken lassen. Dann lässt sie ihn in ihre Tasche gleiten und starrt blicklos in die Ferne.
Nach einem angespannten Mittagessen, bei dem Igor viel getrunken, wenig gegessen und kaum ein Wort gesprochen hat, bittet er Coco um ein Gespräch unter vier Augen. Sie sieht zu Dimitri hinüber, der herrisch mit den Schultern zuckt und zustimmend nickt. Mit hoheitsvoller Gleichgültigkeit erklärt er, dass er ohnehin seine Waffe reinigen müsse, ehe er zum Jagen in den Wald geht.
Und so schlendern Coco und Igor hinaus in den Garten. Coco hält die Arme über ihrem Wollmantel verschränkt, Igor hat die Hände tief in den Taschen vergraben. Draußen ist es bitterkalt.
»Also, worüber möchtest du mit mir reden?«
»Ich glaube, du machst einen Fehler«, sagt er. In seinen Worten schwingt ein hörbares Flehen mit.
»Wie kommst du darauf?«
»Uns beide verbindet etwas, das wir nicht einfach so aufgeben sollten.«
»Und was ist das?«
»Ich weiß es nicht. Ein Gefühl. Nenn es Liebe.«
»Du bist romantisch wie eh und je.«
»Du weißt, was ich meine.«
»Ich muss mich schützen.« Alle Zärtlichkeit ist aus Cocos
Stimme gewichen.
»Es funktioniert doch so gut mit uns beiden. Wir passen …«
»Igor, sag mir die Wahrheit.«
»Worüber?«
»Hättest du Jekaterina verlassen?«
»Es scheint eher so, als hätte sie mich verlassen.«
»Aber würdest du dich jemals von ihr scheiden lassen?«
»Das ist nicht fair. Sie ist im Moment schwer krank und …«
»Ich will keine Ausreden mehr hören. Du wirst sie niemals aufgeben, auch wenn du sie nicht mehr liebst.« Igor macht Anstalten zu widersprechen, und sie hebt die Hand, um ihn davon abzuhalten. »Ich bin bereit, dir zu glauben, dass du mich liebst. Aber das genügt einfach nicht. Ich hasse es, wie eine Dirne durch mein eigenes Haus schleichen zu müssen. Ich bin siebenunddreißig Jahre alt. Ich bin reich. Ich habe etwas Besseres verdient.«
Coco wendet sich von ihm ab und will gehen, doch Igor greift nach ihrem Arm. Unnachgiebig schaut sie zurück zum Haus, die Arme fest verschränkt, um ihn auszuschließen.
»Ich weiß, ich war egoistisch. Ich habe dich unfair behandelt … Aber jetzt wird alles anders.«
»Ich würde dir gern glauben, Igor. Und ja, du bist egoistisch.« Sie reißt sich von ihm los. »Aber das bin ich auch.« Sie schleudert die Worte wie Steine in sein Gesicht. »Das Problem ist, du willst, dass ich mein Leben deiner Arbeit unterordne. Aber das werde ich niemals tun. Ich bin nicht wie Jekaterina. Ich habe meine eigene Arbeit. Und ich bin genauso ehrgeizig wie du.«
»Wenn du so ehrgeizig bist, warum vergeudest du dann deine Zeit mit diesem Trottel Dimitri?«
»Ich habe nicht vor, mich von dir in einen albernen Streit verwickeln zu lassen.«
»Er ist elf Jahre jünger als du. Er ist noch ein Kind, verdammt noch mal! Ich verstehe nicht, wie du dich ernsthaft mit ihm abgeben kannst.«
»Wer sagt denn, dass ich es ernst meine? Vielleicht will ich einfach nur ein bisschen Spaß. Ist das verboten?«, verteidigt sie sich.
Seine Stimme verengt sich zu einem Flüstern. Seine Lippen sind kaum geöffnet, und die Worte kommen nur heraus, weil er den Mund in die Breite dehnt. »Siehst du denn nicht, dass er nur auf dein Geld aus ist?«
Sie verliert die Geduld. »Er tut mir gut. Er schenkt mir mehr Aufmerksamkeit, als dir jemals in den Sinn kommen würde - mehr, als du wahrscheinlich überhaupt aufbringen könntest. Und das gefällt mir. Ich will einen Mann, dem etwas an mir liegt, der verrückt nach mir ist. Einen Mann, bei dem ich nicht an dritter Stelle komme, irgendwo hinter seinem Klavier und seiner Ehefrau.« Aufgebracht stampft Coco mit dem Fuß auf. Brüsk wischt sie sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Und du irrst dich, was das Geld angeht.«
Ein angespanntes Schweigen steht zwischen ihnen. In der Ferne bellt ein Hund. Der Schuss eines Jägers hallt durch die
feuchte Luft. Ein Schauer leuchtend gelber Blätter regnet von einer Esche herab.
Eine neue Härte verzerrt Igors Stimme. »Jetzt, da Jekaterina fort ist, ist dir die Herausforderung nicht mehr groß genug, was?«
Erst will Coco es ihm in gleicher Münze heimzahlen. Doch dann
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