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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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nicht, warum wir abreisen müssen«, jammert Ludmilla.
    Joseph und Marie wechseln einen Blick.
    Diese späten, unbeholfenen, taktlos unschuldigen Fragen bohren sich wie Messerstiche in Jekaterinas Seite. Sie weiß nicht, was sie darauf antworten soll, und nimmt den Kater auf den Arm. Er läuft schon die ganze Zeit zwischen ihren Füßen herum, stupst hartnäckig ihre Beine an und streicht um ihre Knöchel.
    Der kleine Wassili! Igor durchzuckt ein plötzlicher Schreck, als er den Kater sieht. Ihm war nicht in den Sinn gekommen, dass auch er zusammen mit seinen Kindern und seiner Frau abreisen wird. Dieses kleine, aber vergessene Detail macht ihm das wahre Ausmaß seines Verlustes bewusst. Dass nicht einmal die Katze ihn zu brauchen scheint, versetzt seinem Selbstwertgefühl einen weiteren Schlag. Diese Augenblicke sind vielleicht die schlimmsten in seinem ganzen Leben.
    Josephs Ankündigung, dass das Taxi vorgefahren sei, durchbricht die Stille und beraubt die Kinder ihrer Antworten.
    Ernst schüttelt Igor seinen Söhnen die Hand und küsst seine Töchter auf beide Wangen. Er bemüht sich, seine ganze Liebe in diese Gesten zu legen. Aber Théodore weicht dem
Blick seines Vaters beharrlich aus, und auch Soulima sieht ihn lediglich schweigend und mit vor Trauer versteinerter Miene an. Igor betrachtet sie voller Bewunderung. Er versucht sich seinen Vater in dieser Szene vorzustellen, wie er seiner Frau und seinen Söhnen erlaubt, ihn zu verlassen. Aber er kann es nicht, und Scham ergreift von ihm Besitz.
    Jekaterina verabschiedet sich steif von ihm. Und nachdem auch Coco die Kinder hastig und etwas schuldbewusst umarmt hat - nur Ludmilla drückt sie etwas länger an sich -, sind sie fort. Mit einem Klicken fällt die Tür ins Schloss.
    Plötzlich ging alles so schnell. Igor schaut Coco an. Er fühlt sich schwerelos. Sein Kummer vermischt sich mit einem vagen Gefühl der Erleichterung. Coco bleibt stumm. Die Stille um sie herum schwillt an.
    »Dann lasse ich dich jetzt weiterarbeiten«, sagt sie und wendet sich von der Tür ab.
    Igor bleibt noch einen Moment stehen, ehe er in sein Arbeitszimmer zurückkehrt. Wie dumm, denkt er. Dieser Moment, der erfüllt sein sollte von Triumph, dieser Augenblick, in dem sie einander in die Arme fallen sollten, ist stattdessen von Groll und Zweifel überschattet. Erdrückende Schuldgefühle und der Eindruck von Vergeudung senken sich auf ihn herab. Jetzt, wo er alle Ruhe hat, die er braucht, ist nichts mehr geblieben, um sie zu füllen. Hat er seine Familie dafür verlassen? Er spürt, wie das Gewicht in seinen Körper zurückkehrt und ihn fast zu Boden drückt. Er hat immer geglaubt, sein Leben sei nach einem bestimmten Muster geordnet und entspreche einer strengen, vorgegebenen Form. Aber jetzt kann er das große Ganze dahinter nicht mehr erkennen. Sein Dasein erscheint ihm sinnlos, und einen Moment spürt er abgrundtiefe Niedergeschlagenheit. Doch genauso schnell kehrt die Überzeugung zurück, dass das, was
er tut, richtig ist. Er weigert sich aufzugeben. Der Furcht stellt er die Hoffnung entgegen, dass alles wieder gut wird. Coco wird zu ihm zurückkehren, schwört er. Sie wird diesen Idioten Dimitri durchschauen. Sie muss einfach. Irgendetwas wird sie beide wieder zusammenführen, das weiß er. Er spürt es in seinem Blut.
     
    Eines der ersten Dinge, die Jekaterina ins Auge fallen, als ihr Taxi durch die Hauptstraße von Biarritz fährt, ist der Laden von Chanel. Sie tut so, als hätte sie nichts bemerkt, aber innerlich zuckt sie zusammen. Es scheint, als könnte sie diesem Namen niemals entfliehen. Die Kinder machen sie begeistert darauf aufmerksam. In ihr wächst das Gefühl, dass sie nicht entkommen kann. Wie Gott scheint auch Coco überall ihre Zeichen hinterlassen zu haben.
    Aber das neue Haus mit seinen steinernen Wänden und hölzernen Balken wirkt wie eine sichere Bastion gegen Cocos Gegenwart. Hier sind sie sicher, denkt Jekaterina, wenigstens für eine Weile. Nicht einmal Mademoiselle Chanel kann diese Mauern überwinden.
    Sie schickt Igors Mutter ein Telegramm, in dem sie ihr ihre neue Adresse mitteilt.
     
    Zwei Tage nach Jekaterinas Abreise gibt Coco Joseph und Marie eine Woche Urlaub. Es bleibt ja immer noch Piotr, der sich in der Villa um alles kümmern kann. Und es ist besser, wenn einer allein die Verantwortung trägt, als dass sich Piotr und Joseph noch länger darüber streiten, wer der Herr im Haus ist. Zwischen den beiden Männern herrscht bereits nach dieser

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