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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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pikiert über diese Bloßstellung seiner Machtlosigkeit. »Das ist nun einmal das beste Heilmittel.« Nach dieser Zurechtweisung senkt sie den Blick und glättet eine Falte in der Tagesdecke. »Natürlich könnte ich Ihnen modernere Medikamente verschreiben«, fährt er fort. »Teure Medikamente«, ergänzt er mit eigenartiger Betonung. »Aber sie würden auch kaum mehr bewirken als die Bettruhe. Ganz zu schweigen von den Nebenwirkungen …«
    »Die Kosten wären meinem Mann egal. Mademoiselle Chanel übernimmt die Rechnungen.«
    »Jekaterina!«, schimpft Igor. Seine Arme versteifen sich auf den Sessellehnen. Vor Ärger steigt ihm die Röte ins Gesicht.

    »Stimmt es etwa nicht?« Sie genießt diesen seltenen Moment der Überlegenheit. Es passiert nicht oft, dass sie ihren Mann verlegen erlebt. Erregt wird ihr bewusst, dass sie ihn auf diese Weise immer noch verletzen kann.
    »Es tut mir leid«, entschuldigt sich Igor beim Arzt. Er ist wütend auf Jekaterina und ärgert sich über sich selbst, weil er so nervös wird.
    Auch den Arzt hat der Hinweis auf sein Honorar aus der Fassung gebracht. Als Jekaterina das erkennt, spürt sie, wie alle Hemmungen von ihr abfallen. Ihr Zorn bricht sich Bahn. » Bezahlt sie Sie dafür, dass Sie mich betäuben und ruhigstellen? Ist das der Grund?«
    »Du wirst hysterisch«, sagt Igor.
    »Ich wusste es. Ihr steckt alle unter einer Decke!« In ihrer Vorstellung nimmt die Verschwörung Furcht einflößende Ausmaße an und umfasst nicht nur Coco und den Arzt, sondern auch die Dienstboten - sogar die Wände dieses gottlosen Hauses.
    »Der Doktor muss sich deine verrückten Anschuldigungen nicht länger anhören …«
    »Du brauchst es gar nicht abzustreiten. Irgendetwas ist hier im Gange. Niemand sagt mir etwas davon, aber ich kann es spüren. Ich bin nicht dumm, Igor. Nur weil ich krank bin, heißt das noch lange nicht, dass ich keine Ahnung hätte, was hier vor sich geht …«
    »Jekaterina!« Igor ist schockiert.
    »Schrei mich nicht an!« Sie beginnen sich auf Russisch zu streiten.
    Der Arzt bemüht sich, die Situation zu entschärfen. »Ist ja schon gut. Ganz ruhig.« Er legt beide Hände auf den Griff seiner Tasche. Dann sieht er Jekaterina geradewegs ins Gesicht und sagt: »Tatsache ist, Sie leiden an Tuberkulose. Und ich tue
mein Bestes, um Ihnen zu helfen - und ich hoffe, dass Sie meine Ratschläge auch annehmen.« Er entspannt sich ein wenig. »Es gibt überhaupt keinen Grund, warum Sie nicht wieder gesund werden sollten. Aber dieser Prozess braucht seine Zeit. So etwas kann man nicht beschleunigen.«
    Sie fühlt sich ausgelaugt. »Das Einzige, was mir im Moment fehlt, ist ein Grund, wieder gesund zu werden.« In ihrer Stimme liegt ein unausgesprochenes Flehen. Sie wirft ihrem Mann einen stählernen Blick zu.
    »Also dann …« Der Arzt hält inne. Ein gütiger Ausdruck breitet sich auf seinen Zügen aus. Er nimmt seine Tasche hoch und versucht, Jekaterina mit einem erneuten Lächeln davon zu überzeugen, dass er auf ihrer Seite ist.
    Beeindruckt von seiner Ruhe und seinem Taktgefühl, führt Igor ihn hinaus. Er entschuldigt sich lautlos und versucht, ihm zu verstehen zu geben, wie sehr er sich über das Verhalten seiner Frau ärgert.
    Der Arzt wirkt ungerührt. Im Flur bleibt er stehen. »Die mentale Verfassung kann in solchen Fällen einen entscheidenden Einfluss auf die Dauer des Genesungsprozesses haben«, sagt er ernst. Er geht auf die Treppe zu. »Es ist wichtig, dass sie genügend Aufmerksamkeit bekommt, dass sie verwöhnt wird. Verstehen Sie?«
    Igor sieht ihn ausdruckslos an. Was weiß er? Gab es Gerede? Haben die Dienstboten getratscht? Jetzt ist er derjenige, der eine Verschwörung wittert. Die Äste eines möglichen Verrats verzweigen sich in seiner Vorstellung wie die Nebenstraßen in einer Kleinstadt.
    »Ich würde Ihnen raten, in dieser Phase ganz besonders geduldig und großzügig mit ihr zu sein. Zeigen Sie ihr, dass Sie sie lieben, und ich bin mir ganz sicher, dass sich ihr Zustand bald bessern wird.«

    »Ja.« Die Antwort klingt selbst in seinen Ohren so zweideutig und gezwungen, dass er sich genötigt fühlt, das Wort zu wiederholen. »Ja. Ja. Sie haben recht«, sagt er.
    Joseph, der alles gehört haben muss, steht wartend am Fuß der Treppe. Er gibt dem Arzt seinen Hut zurück und öffnet die Tür.
    Igor zuckt innerlich zusammen. Er kann ihm kaum in die Augen sehen.
    Coco ist im Garten, in der Hand hält sie eine Gartenschere und zwei weiße Nelken, die sie

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