Coco Chanel & Igor Strawinsky
Grasklumpen. Sie lieben sich weiter, bis die Scheine auf
sie abfärben und ihre glänzende Haut mit farbigen Flecken von Cocos Geld bedeckt ist.
Als Jekaterina aufwacht, fühlt sie sich dreckig. Sie verspürt das dringende Bedürfnis, sich von ihren Träumen reinzuwaschen. Als sie die Ärmel hochschiebt und sich energisch die Hände schrubbt, erscheint ihr der Anblick ihrer sich unter dem Wasserstrahl ineinander verwindenden Finger für einen Moment obszön.
Sie und Igor haben seit ihrer Ankunft in Bel Respiro nur ein einziges Mal miteinander geschlafen. Und das war in der ersten Zeit ihres Aufenthalts. Es hat ihr nicht gefallen, er hat ihr wehgetan. Und jetzt fühlt sie sich schmutzig. Besudelt.
Jekaterina kann sich nicht erklären, warum er sich für Coco interessiert. Ja, sie ist attraktiv. Aber sie ist auch ungehobelt, rechthaberisch und schlecht erzogen. Ein Emporkömmling. Eine Neureiche. Sie hat keine Ahnung von seiner Musik, und Musik ist sein Leben. Ist es tatsächlich möglich, dass er sich in sie verliebt hat? Ist es reine Lust? Oder erwachsen seine Gefühle aus dem Bedürfnis nach finanzieller Unterstützung? Coco betrachtet ihn zweifellos als eine Art Trophäe. Sie sammelt Dinge. Vielleicht ist er auch nur ein Symptom für ihre Raffsucht. Er ist ein Gegenstand, etwas, das sie unbedingt haben muss. In dem Fall wird sie seiner bald überdrüssig werden. Er ist die Mode dieser Saison. Und hoffentlich dauert es nicht mehr lange, bis er sie durchschaut. Aber was, wenn ihre Beziehung sich weiterentwickelt? Was wird dann aus Jekaterina? Und was ist mit den Kindern? Die Fragen schlagen in ihr Funken der Angst.
Sie hat Heimweh nach Russland und sehnt sich nach dem schlichten, würdevollen Leben einer verheirateten Frau in ihrem eigenen Heim. Und auch ihre Gesundheit, die ebenfalls verbannt zu sein scheint, ist untrennbar mit diesem fernen
Land verbunden. Das Leben, das sie jetzt führt, erscheint ihr vollkommen unwirklich. Der Aufenthalt hier kann doch keine Dauerlösung sein. Ihr bleibt nur die Stütze ihres Glaubens. Sie betet. Alles wird wieder gut. Irgendwann wird die Normalität zurückkehren. Irgendwann wird sie ihr Leben wieder selbst in der Hand haben. Wie ein zerbrochenes Glas, das vom Boden aufspringt und dessen Scherben sich auf wundersame Weise wieder zusammensetzen, wird die Welt wieder ganz werden. Alles wird sich wieder zusammenfügen. Die Dinge werden heilen. Sie müssen es einfach.
Der Arzt schüttelt ein gläsernes Thermometer herunter und legt es schräg unter Jekaterinas Zunge. Ihre Atmung hat sich in den letzten Tagen verschlechtert.
Jekaterina klagt darüber, dass die Medizin, die er ihr verschrieben hat, sie müde macht.
»Das ist Absicht. Sie sollen sich doch ausruhen«, antwortet der Arzt. Seine Mundwinkel kräuseln sich zu einem Lächeln. Die Bemerkung ist spaßhaft gemeint, und sein Lächeln lädt sie ein, über sich selbst zu lachen.
»Ich fühle mich aber so lustlos«, bricht es aus ihr heraus, und sie schlägt hilflos mit den Händen auf die Bettdecke.
»Aber Ihr Körper muss seine Funktionen verlangsamen, wenn Sie wieder ganz gesund werden wollen. Sie müssen sich ausruhen. Das ist die einzige Möglichkeit.« Er schreibt ein neues Rezept und gibt es ihr.
»Was ist das?«, fragt sie und versucht, die Schrift zu entziffern. Das Thermometer unter ihrer Zunge lässt ihre Stimme schleppend und undeutlich klingen.
»Das soll Ihnen das Atmen erleichtern …«, er ist unsicher, ob er weiterreden soll, »… auch wenn das Medikament eine sedierende Wirkung hat.«
»Sie meinen, ich werde davon noch müder?«, fragt sie gereizt.
»Ich fürchte schon, ja.«
Jekaterina ist so entsetzt, dass sie kein Wort mehr herausbringt. Der Arzt sieht auf seine Uhr und nimmt das Thermometer heraus. Er hält es ins Licht und sieht prüfend durch seinen Kneifer. Im Licht wirken die Linsen undurchsichtig.
»Hat sie Fieber?«, fragt Igor.
»Was interessiert dich das?«, faucht Jekaterina. Verbitterung verzerrt ihre Stimme. Ihre Lippen wirken mit einem Mal blutleer.
Wachsam sieht der Arzt erst zum einen, dann zum anderen. Er wirft einen letzten Blick auf das Thermometer, ehe er den Arm sinken lässt. Er schwankt, an wen von beiden er sich wenden soll. Als Kompromiss richtet er seine Antwort an die leere Luft zwischen ihnen.
»Die Temperatur ist nicht besorgniserregend hoch. Aber ich würde trotzdem Bettruhe empfehlen.«
» Noch mehr Bettruhe!«, zischt sie verächtlich.
Der Arzt ist
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