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Coco Chanel & Igor Strawinsky

Titel: Coco Chanel & Igor Strawinsky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Greenhalgh
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gerade abgeschnitten hat. Sie kommt auf sie zu und reicht beiden Männern jeweils eine davon. »An so einem schönen Tag sollte jeder Mann eine Blume im Knopfloch tragen«, sagt sie.
    Der Arzt wirkt unsicher.
    Sie zieht ihre hellbraunen Gartenhandschuhe aus und befestigt die Blüten am Revers der beiden Männer.
    Der Arzt verrückt die seine ein winziges Stück. »Sie sind sehr freundlich, Mademoiselle.«
    »Es gibt keinen Grund, warum Männer nicht auch angenehm duften sollten.« Sie hebt eine Gießkanne mit langem Ausguss vom Boden auf.
    Der Arzt tut so, als wolle er sich zum Gehen wenden, doch dann scheint ihm plötzlich wieder etwas einzufallen, und er fragt: »Würden Sie es vorziehen, die Rechnung jetzt zu begleichen, Mademoiselle?«
    Coco macht es ihm nicht leicht. Gönnerhaft steht sie vor ihm. Nach einem unbehaglichen Schweigen entgegnet sie unvermittelt und mit übertriebener Sorge: »Ach ja, natürlich! Wie geht es der armen Jekaterina denn?«
    Igor durchzuckt eine plötzliche Loyalität zu seiner Frau. Es ist doch nicht ihre Schuld, dass sie krank ist. Sie war nicht immer so, würde er am liebsten erklären. Er sieht, wie der
Arzt Coco fragend mustert und die offensichtlich komplexen Beziehungen in diesem Haus zu ergründen versucht. Igor beobachtet, wie sein Blick schärfer wird, sein Verstand zu arbeiten beginnt, abwägt, Vermutungen anstellt, schlussfolgert. Die Vorstellung, dass der Kreis der Eingeweihten und des Klatsches sich weiter ausdehnt, entsetzt ihn. Er muss die Situation unter Kontrolle halten.
    »Mit genügend Ruhe ist sie bestimmt bald wieder auf den Beinen«, antwortet der Arzt ruhig.
    Cocos unbeschwerte Art gibt nichts preis. »Gut, gut. Dann lassen Sie uns abrechnen.«
    Forsch, fast schon ungeduldig, führt sie den Arzt zurück ins Haus. Joseph steht immer noch an der gleichen Stelle wie zuvor. Als Igor ihn bemerkt, bleibt er noch eine Weile draußen vor der Tür, um nicht gesehen zu werden. Er kämpft mit dem Drang, zu erklären, etwas zu sagen. Aber was? Er wartet einen Moment und kommt sich unglaublich albern vor, dann geht er hinein und flüchtet den Flur hinab in sein schützendes Arbeitszimmer.
     
    Eine Uhr tickt an der Küchenwand. Marie spült das Geschirr, und Joseph trocknet es mit einem groben weißen Tuch ab. Die Fenster stehen offen, und aus Igors Arbeitszimmer dringen deutlich vernehmbare Klavierklänge. Stimmen wehen aus dem Garten herein. In einer Ecke des Rasens steht eine neue Schaukel. Sie schwingt gleichmäßig wie ein Metronom, während die Kinder abwechselnd darauf schaukeln.
    »Ich weiß nicht, was ich von diesem ganzen Treiben halten soll«, sagt Joseph, der gerade mit kreisenden Bewegungen einen dampfenden Teller abwischt.
    »Das weißt du nicht?«, erwidert Marie sarkastisch. Sie taucht die Hände in das seifige Wasser und holt einen weiteren
tropfenden Teller heraus. Eine weiße Tasse und eine Untertasse folgen.
    Joseph stapelt sie auf dem Tisch. »Hat sie etwas zu dir gesagt?«
    Fast schon empört über diese Unterstellung, runzelt Marie die Stirn. »Natürlich nicht.«
    »Glaubst du, Madame Strawinsky weiß Bescheid?«
    »Sie hat doch Augen und Ohren wie wir anderen auch. Es könnte natürlich sein, dass sie sich selbst etwas vormacht.« Marie sieht, dass ihre Finger im Wasser schrumpelig geworden sind.
    Draußen spielen die Jungen mit einem Gartenschlauch herum und spritzen sich gegenseitig nass. Suzanne schubst Milena auf der Schaukel an.
    »Sogar deine Tochter ist alt genug zu verstehen, was hier los ist«, fährt Marie fort.
    »Mach dich nicht lächerlich. Sie ist erst vierzehn.«
    »Sie ist nicht so naiv, wie du glaubst, Joseph.«
    Ein Weinglas gluckst, als sie es ins Wasser taucht. Der festgetrocknete Satz am Boden bildet einen grellroten Fleck.
    »Schon gut. Wahrscheinlich ahnt sie etwas. Aber es wäre doch wirklich eine Katastophe für uns alle, wenn das Ganze irgendwann herauskäme.«
    »Gott! Ihr Männer seid solche Feiglinge«, sagt Marie. Und mit einer Wucht, die sie beinahe nach vorn zieht, setzt sie hinzu: »Ich hätte größte Lust, es ihr selbst zu erzählen.«
    »Vergiss nicht, wem wir hier verpflichtet sind, Marie.«
    »Ich würde es ihr erzählen, wenn sie nicht so furchtbar hochnäsig wäre.«
    Joseph wischt einen Fingerabdruck von der Außenseite eines Glases und stellt einen Stapel Teller in den Schrank. Das Geschirr wegzuräumen, jeden blitzenden Topf an seinen
festen Platz zurückzustellen ist seine Art, mit dem Aufruhr umzugehen, der

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