Coco Chanel & Igor Strawinsky
Anzahl davon als Präsente bestellt.«
»Die Mädchen im Laden könnten ihn auch tragen.«
»Nein. Er muss exklusiv bleiben.«
»Aber was machen wir, wenn die Kundinnen nicht danach fragen?«
»Dann erklären wir den alten Damen, dass sie diesen Duft unbedingt tragen müssen, wenn sie noch geküsst werden wollen.«
»Und den jüngeren?«
»Denen sage ich, dass es das Einzige ist, was sie im Bett überhaupt zu tragen brauchen.«
Adrienne lacht.
»Wir könnten ein paar Flakons im Salon ausstellen.« Coco beugt sich verschwörerisch im Sessel vor und verschränkt die Hände um ihre Knie. Ihre Zehen berühren gerade so den Boden. »Das Wichtigste ist, ihnen zu schmeicheln. Wir sagen ihnen, dass alles Weitere von ihnen abhängt. Wenn sie der Ansicht seien, das Parfüm werde sich verkaufen, dann könnten wir in Erwägung ziehen, größere Mengen davon herstellen zu lassen.«
»Du schließt sie also in den Prozess ein.«
»Zumindest lassen wir sie das glauben.«
»Du bist so gerissen, Coco.«
»Wir müssen nur dafür sorgen, dass der Duft bekannt wird und die Leute darüber reden, dann werden sie das verdammte Zeug auch kaufen.« Sie streicht ihren Rock glatt und lehnt sich zurück.
»Und wann fangen wir damit an?«
»Ich bin hier, und das Parfüm ist auch hier. Warum nicht jetzt gleich?«
»Ich könnte ein paar von den Mädchen anweisen, es zu versprühen …«
Coco sieht mit einem Mal müde aus.
»Es tut mir leid. Ich habe dich gar nicht gefragt, wie es dir geht«, sagt Adrienne, als sie es bemerkt.
»Mir geht es bestens«, antwortet Coco zu hastig. Gestern hat Joseph sie gefragt, ob es vielleicht möglich wäre - wenn es nicht zu ungelegen käme oder unverschämt wäre und so weiter -, dass sie ein paar Tage Urlaub bekämen. Der arme Mann hat Angst vor ihr. Sie erinnert sich vage daran, dass sie ihnen noch ein paar freie Tage versprochen hat. Es kommt nur im Moment tatsächlich sehr ungelegen.
»Und wie geht es Igor?«
Ihre Antwort klingt kühl und gelassen. »Sehr gut, danke.« In den letzten Tagen hat er sie nachmittags nicht mehr nach Paris begleitet.
»Hast du dich verliebt, Coco?«, fragt Adrienne leise. Sie mustert sie mit einem Blick, der verrät, dass sie nur eine absolut aufrichtige Antwort akzeptieren wird.
Coco hält ihm stand. Sie hätte erwartet, dass sie sich unbehaglich fühlen würde, aber so ist es nicht, und zu ihrer eigenen Überraschung hört sie sich sagen: »An erster Stelle kommt immer meine Arbeit. Danach erst Männer.« Eine Weile sehen sie einander herausfordernd an.
»Gut«, sagt Adrienne.
»Gut«, antwortet Coco.
»Sollen wir sprühen?«
»Lass uns sprühen.«
Seite an Seite gehen sie in einem leicht einschüchternden Rhythmus die Treppe hinunter. Coco umklammert ihre Tasche, als hielte sie ein Paket Sprengstoff in der Hand.
Als Coco am nächsten Nachmittag früher als erwartet aus Paris nach Hause kommt, stürzt sie sofort zu Igors Arbeitszimmer. Sie muss mit ihm reden. Sie will sich mit ihm versöhnen. Sie hat erkannt, dass sie ihn vermisst. Und es war unverzeihlich von ihr, die Einladung zu zerreißen. Das weiß sie jetzt, und sie will sich dafür entschuldigen. Aber vom Klavier her kommt kein Laut, und Igor ist nicht da. Sie geht nach oben und hört gedämpfte Stimmen aus dem Schlafzimmer der Strawinskys. Vorsichtig nähert sie sich der angelehnten Tür und horcht.
Vertrautheit schwingt in Igors und Jekaterinas Stimmen mit. Coco wagt sich noch ein Stückchen näher heran. Durch den schmalen hellen Streifen zwischen Tür und Rahmen
kann sie die beiden sehen. Jekaterina liegt im Bett. Vollständig angezogen liegt Igor neben ihr und stützt sich auf einem Ellbogen ab. Er hält ihren Kopf wie den eines Kindes an seine Brust gedrückt und streicht ihr liebkosend durchs Haar. Beruhigend redet er auf sie ein. Coco lauscht angestrengt. Sie braucht kein Russisch zu verstehen, um die enge Verbindung zwischen ihnen zu spüren.
Jekaterinas Wangen glänzen feucht. Ihre Augäpfel scheinen unter den geschlossenen Lidern zu zittern, und ihre Haut ist fiebrig gerötet. Igor küsst ihre Tränen weg.
Mit versteinerter Miene steht Coco da, unbemerkt, eine Hand am Türpfosten, die andere in ihrer Tasche vergraben. Sie spürt, wie sich die Haut in ihrem Gesicht spannt, und hat das Gefühl, als würde in ihrer Brust etwas zusammenstürzen. Sie schreckt zurück und wendet sich ab. Schwindel erfasst sie, als sie die oberste Treppenstufe erreicht. Plötzlich erscheinen sie ihr
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