Code Delta
Licht. Und es ward Licht«, meinte Alpha.
»Und Gott sah, dass es gut war«, fuhr Adam fort. Seine Stimme ähnelte der Alphas, klang aber irgendwie verzerrt, gurgelnd. »Und er trennte das Licht von der Dunkelheit.«
»Bald, Adam«, sagte Alpha. »Bald.«
Kenan hielt eine kleine, in ein schmutziges weißes Laken gewickelte Gestalt in die Höhe und legte das Bündel anschließend vor Alpha und Adam auf den Boden. Er schlug eine Ecke zurück, und das schlafende Gesicht eines dreizehnjährigen Mädchens kam zum Vorschein.
Alpha kniete sich neben Fiona hin und strich ihr die Haare aus der Stirn. »Ist sie die Letzte?«
Kenan nickte leicht. »Und damit ungefährlich. Die größte Gefahr, die im Moment von ihr ausgeht, dürfte sein, dass sie unsere Feinde zu uns führt. Wäre es nicht besser gewesen, sie mit den anderen zu töten?«
»Ich finde Lebendköder immer am besten«, sagte Alpha. »Und eine zusätzliche Testperson zu haben, kann auch nicht schaden.«
»Du willst wirklich, dass King uns findet?«
»Ich will ihm alles nehmen, was ihm lieb und teuer ist. Ich will, dass er hilflos zusehen muss, wie ihm sein Leben entgleitet.« Alpha legte den Kopf schief. »Ich erwidere nur den Gefallen, den er mir getan hat.«
»Von King haben wir nichts zu befürchten«, meinte Adam. »Solange wir das Mädchen haben, wird er sich hüten, mit brutaler Gewalt vorzugehen.«
»Sie ist unsere Trumpfkarte«, ergänzte Alpha. »Folge mir und nimm sie mit.«
Alpha führte Kenan einen kurzen Tunnel entlang und blieb vor einem kleinen, in den Fels gemeißelten Alkoven stehen, in dem einmal Baumaterialien gelagert worden waren. »Hinein mit ihr.«
Als Kenan Fiona in der engen Kammer abgelegt hatte, hockte Alpha sich neben ihr hin und tastete sie ab.
Kenan lehnte sich an die Wand. »Selbst wenn King uns finden sollte, woher willst du wissen, dass er rechtzeitig kommt? Er ist dort draußen« – er gestikulierte zur Höhlendecke, meinte aber die Welt, die hinter ihr lag – »und wenn die Zeit kommt, wird er sich verändern wie alle anderen.«
»Er kommt«, sagte Alpha, bevor er etwas unter Fiona hervorzog. »Er ist ein pünktlicher Mensch, und die Uhr tickt.« Er hielt Fionas Insulinpumpe hoch, stand auf und schmetterte sie gegen die Wand. Er hob das zerstörte Gerät auf und reichte es Kenan. »Sorg dafür, dass King das hier findet.«
Kenan grinste. »Tick, tack.«
Alpha grinste zurück. »Er wird keine Zeit verlieren.«
Sie verließen die kleine Zelle. Alpha flüsterte ein paar Worte zu der Felswand. Der Stein erzitterte, und die Ränder der Öffnung zogen sich zusammen. Bald blieb nur noch ein schmaler Spalt im massiven Fels übrig. Dann hörten sie ein Geräusch aus der zentralen Kammer. Sie eilten zurück und sahen, dass Mahalalel eingetroffen war. Er studierte die Inschriften an den Wänden.
»Das ist faszinierend«, sagte er beim Eintreten der anderen.
»Hast du es?«, fragte Alpha. Jede Silbe triefte vor Ungeduld.
Mahalalel ließ sich nicht drängen. Er wackelte mit dem Finger in Richtung eines der Labortische. »Dort.«
Alpha entdeckte einen gepolsterten Beutel, öffnete ihn und nahm das darin enthaltene Objekt heraus.
»Konntest du das alles entziffern?«, fragte Mahalalel mit Blick auf die Inschriften an der Wand.
»Selbstverständlich«, erwiderte Adam. Er klang verärgert, und weil Alpha damit beschäftigt war, das Päckchen zu auszuwickeln, beantwortete er Mahalalels Frage: »Nichts Neues. Es handelt sich um eine Warnung, die nach der Zersplitterung der Sprache in Stein gemeißelt wurde.« Adam wedelte mit seinem kurzen Arm dramatisch in der Luft herum und rezitierte: »›Die Eine Sprache der Alten ist zerstreut. Möge ihr Wissen in jedem Idiom voll Weisheit weitergeben werden, auf dass nicht der Zorn des Begründers, dessen Wille alle Dinge schafft und zerstört, abermals über die Welt komme. Verfallet nicht der Versuchung. Denn verwendet ihr Seine Worte zum Bösen, sollen die Wächter aus der Höhe herniedersteigen und die Anmaßenden vernichten.‹ So geht es die ganze Wand entlang weiter. Feuer und Schwefel.«
»Wer ist der Begründer?«, fragte Mahalalel.
»Gott«, erwiderte Adam.
»Das ist die Frage«, mischte sich Kenan ein, der die Hieroglyphen ebenfalls betrachtet hatte. »Was, wenn er nicht Gott war?« Alle anderen, sogar Alpha, sahen ihn an. »Was, wenn er ein Mensch war? Schließlich versuchen wir gerade, dasselbe zu tun wie er.«
Alpha nickte und hielt ihm die Steintafel hin, die
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