Code Delta
Eidechsen. Nach kurzer Überlegung eilte King durch den mittleren Ausgang, begierig, das Atrium mit seiner unheimlichen Atmosphäre hinter sich zu lassen. Er erreichte eine weitere Treppe, die tiefer in das versunkene Gebäude hineinführte.
An ihrem Fuß entdeckte er ein großes Wandgemälde. Es war fast zur Unkenntlichkeit verblasst, aber man konnte noch ein helles Gebäude voller Bögen, Treppen und hängenden Pflanzen und Bäumen ausmachen. King erkannte das zentrale Atrium wieder, durch das er soeben gekommen war. Er atmete scharf ein, als ihm klar wurde, dass er sich in den Hängenden Gärten der Semiramis befand.
Mit demselben Atemzug kroch ihm ein übler Gestank in die Nase. Es roch ähnlich wie im Atrium, nur viel stärker. King bog vorsichtig um die Ecke zur nächsten Kammer. Es war ein kreisförmiger Raum, umgeben von einem Säulengang und ähnlichen Statuen wie das Atrium.
Da er keine Bewegungen oder Geräusche wahrnahm, ging King hinein. In der Mitte standen mehrere Holztische. Sie sahen alt aus, aber keineswegs antik. Der schmutzige Boden war von Kratzern übersät. Ein Aufblitzen erregte seine Aufmerksamkeit. Er hockte sich hin und griff nach dem Gegenstand, der es verursacht hatte.
Eine Glasscherbe. Modernes Glas.
Dann sah er noch mehr. Einwickelpapier. Weggeworfene Wasserflaschen. Ein ganzer Haufen von Teeblättern. Definitiv Ridley. Der Mann liebte frischen Pfefferminztee. King kniete sich neben das Blätterhäufchen hin. Er sah feucht aus, doch eine Fingerprobe ergab, dass die Masse trocken und bröselig war. King trat dagegen, um das Innere freizulegen. Knochentrocken. Ridley war schon eine ganze Weile fort.
»Verdammt«, flüsterte King.
Ein Blatt Papier fiel ihm ins Auge. Es sah aus, als wäre es aus einem Notizblock gefallen und unter einen der Tische geflattert, vielleicht vergessen in der Eile des Aufbruchs. Die Seite enthielt handschriftliche Notizen. King erkannte Ridleys Schrift. Ganz oben auf dem Blatt stand: WER IST ER ???
Darunter befanden sich ein paar hingekritzelte Zeilen. Er konnte nur hier und da ein Wort entziffern: Antike, Gott, historische Figuren, menschlich (?), verloren, die Glocke, Dimension, Herkules (?).
King stutzte. Ridley versuchte, Alexander zu identifizieren. Und da hier der Name Herkules stand, machte er anscheinend Fortschritte. Ein Teil von King wünschte, das Blatt würde mehr enthüllen, während ein anderer Teil es gar nicht so genau wissen wollte. Er faltete es zusammen und steckte es ein. Vielleicht konnte jemand Ridleys Klaue entziffern und dem Text mehr Informationen entlocken.
Er stand auf und sah sich weiter um. Auf einem Tisch erblickte er etwas, bei dessen Anblick er erstarrte. Gleichzeitig stieg Erregung in ihm auf, denn jetzt wusste er, dass er auf der richtigen Spur war. Es handelte sich um die Überreste von Fionas Insulinpumpe. Sein Herz krampfte sich vor Furcht zusammen. Seit wann lag sie hier? Wenn es schon Tage waren, konnte Fiona bereits dem Tode nahe sein. Was war geschehen? Das Gerät war zerschmettert worden. Falls sie es dabei am Leib getragen hatte, konnte sie jetzt schwer verletzt sein und sich am Rande eines Zuckerkomas befinden. King ballte die Faust um das kaputte Gerät, bis seine Knöchel weiß hervortraten. Er war so nah dran gewesen.
Das Echo eines entfernten Geräusches hallte durch die Kammer. Lebendig. Wie ein hohes Wimmern. Hatte man ihn bemerkt? Und falls ja, wer oder was? Da war es wieder. King mühte sich, es deutlicher zu hören.
Es klang wie ein Mädchen.
Die Hoffnung, Fiona könnte entkommen sein, flackerte in King auf. Er steckte die kaputte Pumpe ein und lief zu dem Tunnel auf der anderen Seite des Raumes. Er führte abwärts. Diesmal achtete King nicht auf die Reliefs und Bilder an den Wänden. Er hielt Waffe und Taschenlampe nach vorne gerichtet und bewegte sich, so schnell er konnte, ohne Lärm zu machen.
Als der Tunnel in einen größeren Raum mündete, hörte er einen zweiten Ruf. Diesmal aus nächster Nähe, und dieser hier war definitiv nicht menschlich. King spannte sich und schirmte den Strahl der Lampe mit der Hand ab. Er blickte um die Ecke.
Es kostete ihn seine ganze Willenskraft, nicht loszustürmen.
Auf dem Boden lag eine Leiche, blutig und zerfetzt. Darum herum lauerten mehrere große Sandfische. Ihre Schwänze peitschten hin und her, während sie um die beste Position am Futternapf stritten. Sie waren so auf ihre Mahlzeit fixiert, dass sie King gar nicht bemerkten. Er schlüpfte rasch in
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