Code Freebird
entscheiden, ob er es verdient hat, weiterzuleben oder nicht. Ich bin Arzt. Ich muss sein Leben retten. Es liegt in Ihrer Hand. Sie entscheiden.«
Levy schloss die Augen und kämpfte gegen den aufkommenden Druck in seinem Inneren an.
11
Die Sperrzone begann dreihundert Meter vor ihrem Ziel. Gaffer, Ü-Wagen der TV-Stationen und Einsatzfahrzeuge der Polizei bildeten eine nahezu unüberwindbare Barriere. Dahinter führte eine Straße in die Glas- und Stahlfluchten eines neuangelegten Gewerbeparks. Reporter berichteten vor Mikros und Kameras über ihre Eindrücke, äußerten Vermutungen und stellten mutige Thesen zu den Hintergründen des Anschlags auf.
Als Michaelis und Levy sich einen Weg durch die Menge bahnten, wurden sie von den Medienleuten gemustert, inwieweit sie zum offiziellen Ermittlertross gehörten und damit Ziel ihrer Fragen sein könnten. Doch die beiden Nordlichter kannte man in Mannheim nicht, weshalb sie sich ungestört den Polizeibeamten an der Absperrung zu erkennen geben konnten.
Michaelis fragte nach Demandt vom BKA. Der Mann deutete auf den Tatort. Sie stiegen gerade über das Absperrband, als sie jemand von hinten ansprach.
»Frau Kommissarin«, sagte Aaliyah Roshan vom TV-Sender Masdar Mawthouk aus Dubai. Sie hielt Michaelis das Mikrofon hin, neben ihr surrte das Objektiv der Kamera auf den neuen Fokus. »Können Sie uns eine erste Einschätzung zum gestrigen Anschlag geben?«
Michaelis reagierte in gewohnter Weise, schnell und scharf. »Wer sagt, dass es sich um einen Anschlag gehandelt hat?«
»Das ist doch offensichtlich«, konterte Aaliyah, »Clearwater steht seit längerem in der Kritik. Irakische Politiker und Menschenrechtsorganisationen erheben schwere Vorwürfe gegen die selbsternannten Sheriffs, die glauben, sich im rechtsfreien Raum alles erlauben zu können.«
»Dazu liegen mir keine Erkenntnisse vor. Sie entschuldigen mich jetzt.«
Doch Aaliyah gab nicht so schnell auf. »Herr Levy, Sie sind als Kriminalpsychologe in dieser Anschlagsserie tätig. Haben Sie schon ein Muster, ein Profil des Täters erstellen können?«
Levy durfte und konnte nicht auf diese Frage antworten. Dennoch war er vom Innensenator angehalten worden, den Fragen der Medien keineswegs schroff zu begegnen.
»Er oder sie benutzt Sprengstoff«, lautete die nichtssagende Antwort.
»Den gleichen wie bei den Anschlägen in Hamburg und Frankfurt?«
»Wir sind in Mannheim nur zu Gast«, unterbrach Michaelis und zog Levy sanft, aber bestimmt mit sich. »Richten Sie bitte Ihre Fragen direkt an die örtliche Pressestelle der Ermittlungsbehörden.«
»Trifft es zu, dass es sich bei dem dritten Anschlagsopfer in dem Hamburger Kino um einen deutschen Staatsbürger handelt, der für den Nachrichtendienst gearbeitet haben soll?«
Für einen Moment erstarrten Michaelis und Levy. Woher wusste sie das? Die Information war gerade ein paar Stunden alt – und vor allem nicht veröffentlicht worden.
»Nichts anmerken lassen«, flüsterte Michaelis Levy zu. Dann wandte sie sich zu Aaliyah: »Wie ich schon sagte, wenden Sie sich bitte an die Pressestelle.«
Während sie an den Einsatzfahrzeugen vorbei Richtung Tatort schritten, platzte es aus Michaelis heraus. »Das gibt es doch nicht. Die Information ist nur uns bekannt. Hat da jemand gequatscht?!«
»Schau mich nicht so an«, wehrte sich Levy, »ich war’s nicht.«
»Luansi?«
»Kann ich mir nicht vorstellen.«
»Stimmt, ich auch nicht. Bleibt nur noch der Innensenator.«
»Oder jemand aus dem Apparat.«
»Du meinst, jemand vom BKA?«
»… oder vom BND. Irgendeiner redet immer, sonst würde niemals eine dieser Sauereien ans Tageslicht kommen.«
»Das würde bedeuten, dieser Jemand heißt nicht gut, was da abläuft.«
»Genau, und den müssen wir finden.«
Vor dem fünfstöckigen Gebäude aus Glas und Stahlträgern angekommen, erkannten sie nun das ganze Ausmaß des Anschlags. Die Explosion hatte auf einer Breite von dreißig Metern Fenster und Verstrebungen aus dem vierten Stock gesprengt – mit ihnen Einrichtungsgegenstände und Unterlagen, die zerrissen, verbrannt und mit Löschschaum bedeckt ringsum am Boden lagen. Ein Heer von Kriminaltechnikern hatte alle Hände voll zu tun, die Spuren zu sichern.
Unter ihnen erkannte Levy einige Ex-Kollegen. Hin und wieder erntete er einen stillen Gruß. Allem Anschein nach hatte das BKA hier das Sagen.
Doch da waren noch andere Gesichter, die mit dem BKA nichts zu tun hatten. LKA, Verfassungsschutz und das
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