Code Freebird
amerikanische Militär.
Auf marineblauen Regenjacken prangte gelb der Schriftzug US Army CID Police und auf der linken Brust das dazugehörige goldfarbene Emblem. Ein hochgewachsener, drahtiger Mann, kurzgeschoren, Ende fünfzig, sprach mit seinem Gegenüber. Er registrierte Levys prüfenden Blick kühl und emotionslos.
»Lass uns nach oben gehen«, sagte Michaelis und machte sich schon auf den Weg.
Die Eingangshalle war mit weißem Marmor ausgelegt. Über dem Empfangsschalter hing das Unternehmenslogo von Clearwater – eine Forelle, die kraftvoll aus einem Fluss springt. Hier unten gab es keine Anzeichen von Zerstörung. Die Telefonanlage klingelte unaufhörlich. Die Explosion hatte die Energieversorgung und das Kommunikationsnetz folglich nicht zerstört.
Vorbei an Überwachungskameras stiegen sie die Treppen ins vierte Stockwerk hinauf. Als sie den Gang betraten, sahen sie über die ganze Etage hinweg die Dächer der angrenzenden Gebäude. Die Explosion hatte die Trennwände der einzelnen Büros herausgerissen und ein Trümmerfeld hinterlassen. Zwischen Steinbrocken, zerfetztem Mobiliar und offenliegenden Kabelbäumen staksten Techniker herum. Sie suchten nach Restbeständen der Bombe und anderen Spuren, die auf den oder die Attentäter verwiesen.
Levy sah auf Steinen und Tapetenfetzen Blutspritzer. Wer auch immer sich zum Zeitpunkt der Detonation auf dieser Etage aufgehalten hatte, war Opfer geworden. So gewaltig war die Druckwelle gewesen, dass sie das Fleisch wie Papier vom Gerippe gerissen haben musste.
Wer auch immer dafür verantwortlich war, wollte alles und jeden auf dieser Etage nicht nur töten, sondern zur Gänze zerstören. Hier hatte blanker Hass gewütet. Dieser Tatort bildete das krasse Gegenteil zum punktgenauen Anschlag im Kino. Dort war die Wirkung bewusst begrenzt, gegen eine einzelne Person gerichtet; hier hatte der Täter der Zerstörungskraft seines Sprengsatzes freien Lauf gelassen.
»Ich habe euch erst später erwartet«, sagte Sven Demandt, der unvermittelt an der Seite von Michaelis und Levy auftauchte. In seiner Begleitung war der Mann, in dem Levy den älteren der beiden CID-Männer von der Straße erkannte.
»Der Innensenator …«, antwortete Michaelis, brach jedoch sofort ab, als sie den ihr unbekannten Mann erblickte.
»Darf ich vorstellen?«, erwiderte Demandt, »Colonel Wayne Nimrod vom CID. Er vertritt die Interessen der US-Regierung in diesem Fall und in dem von Frankfurt. Er ist euer Ansprechpartner in allen Belangen, wenn es um Angehörige der Army geht.«
Michaelis und Levy reichten ihm die Hand, stellten sich ihrerseits vor. »Ich dachte, hier wurden amerikanische Zivilisten getötet?«, fragte Michaelis überrascht, dennoch um Freundlichkeit bemüht. »Wie kommt es, dass sich das Militär darum kümmert?«
Nimrod lächelte kurz. Seine weißen Zähne waren makellos, so wie sein ganzes Erscheinungsbild. Typisch Soldat, Marke Schleifer, dachte Levy. Außer den Sommersprossen, die sich von einem Jochbein zum anderen in diesem markanten Gesicht erstreckten, gab es nichts Auffälliges. Kein Anzeichen für eine nachlässige Rasur, kein überstehendes Haar am Kragen, kein übersehener Pickel.
»Eine berechtigte Frage«, antwortete Nimrod ohne jede Emotion. »Clearwater ist ein enger Kooperationspartner meiner Regierung. Es ist für das Oberkommando selbstverständlich, dass wir uns um unsere Partner kümmern, auch und gerade in schlechten Zeiten.«
»Schlechte Zeiten?«, fragte Levy.
Nimrods Augen fixierten ihn kurz, prüften, was die Frage bedeuten sollte. Schnell fasste er sich, antwortete, wie er es als Polizist gelernt hatte. »Der Tod eines Amerikaners ist immer schlecht.«
»Habt ihr euch schon umschauen können?«, fragte Demandt.
Wie auch schon bei der Begrüßung legte Demandt einen unerwartet freundlichen Ton an den Tag. Levy konnte nicht einschätzen, ob es gespielt oder ehrlich gemeint war. Was war, so fragte er sich, der Grund dieses Wandels?
Michaelis verneinte die Frage, sie seien eben erst angekommen. Demandt schlug vor, dass er Michaelis auf den aktuellen Ermittlungsstand bringen würde und dass Levy sich mit Nimrod über den Anschlag in Frankfurt austauschen könne. Sie stimmte zu, und die beiden stapften über Steinbrocken hinüber zur hinausgesprengten Fensterfront.
»Wie geht es Hans?«, fragte Nimrod.
Levy schaute zu ihm auf, er wusste nicht, wen er meinte.
Nimrod lächelte sein blitzsauberes West-Point-Lächeln. Der steife Polizist hatte
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