Code Freebird
einem politischen Vertreter …«
Nimrod lächelte gequält. »Was glauben Sie, wie viele Eingaben, Berichte und Beschwerden ich bereits verfasst habe? Sie alle führten zu nichts.«
»Worüber haben Sie sich beschwert?«
»Das alles aufzuzählen würde den Rahmen sprengen. Seien Sie aber versichert, dass ich weder ein Querulant noch ein Verräter bin. Doch manche Dinge lassen sich nicht mehr länger verheimlichen. Sie passieren in aller Öffentlichkeit, ohne dass sich anscheinend noch jemand darum schert. Diese Clearwater-Leute zum Beispiel sind Bedienstete meiner Regierung. Sie handeln in ihrem Auftrag. Vordergründig geht es um Schutz der Interessen meines Landes. Darunter fallen politische, aber auch die wirtschaftlichen. Wie Clearwater diese Interessen schützt, bleibt ihnen überlassen. Es gibt keine Macht im Irak, die ihnen Einhalt gebieten könnte.«
»Nicht einmal das Militär?«
»Nein.«
»Die Politik?«
»Clearwater handelt in ihrem Auftrag. Man zerrt niemanden vor Gericht, der dein Leben schützen soll. Aber davon abgesehen, es schert auch niemanden. Was macht es schon, wenn ein Iraki erschossen wird? Es sind Tausende während des Feldzugs gestorben. Wir sind schließlich ihre Befreier. Keine Kamera und kein Mikrofon können einfangen, was dort eigentlich geschieht. Und wenn doch, glauben Sie im Ernst, dass es gesendet würde?«
Levy wusste es nicht. Das, was er bisher aus den Nachrichten erfahren hatte, reichte ihm vollauf. Mehr konnte der gesunde Menschenverstand auch nicht ertragen. »Das klingt bedauernswert. Allerdings weiß ich noch immer nicht, wieso Sie mir das alles erzählen.«
Nimrod setzte sich zu Levy auf die Bank. »Hören Sie: Ich weine diesen Dreckskerlen von Clearwater keine Träne nach. Sicher, es tut mir leid um die Menschenleben und die Familien, die sie zurücklassen, aber … sie haben es verdient.
Ich kann niemandem trauen. Am wenigsten Ihrem Demandt vom BKA. Hans sagte mir, Sie wären der geeignete Mann dafür.«
»Wieso ich? Meine Kollegin Michaelis …«
»Hans meinte, es sei besser, sie nicht in Schwierigkeiten zu bringen. Sie hingegen sind ein Mann von außerhalb. Sie sind niemandem Rechenschaft schuldig. Wenn etwas schiefgeht …«
Levy ahnte, worum es hier ging. »… dann trifft es nur mich, und die anderen sind fein raus. Vielen Dank für Ihr Vertrauen.«
»So habe ich das nicht gemeint.«
»Wie denn sonst? Von Politikern bin ich ja so etwas gewohnt, aber von einem Polizisten?«
Nimrod ließ nicht locker. »Gehen Sie zum Truppenübungsplatz nach Grafenwöhr. Das liegt in Bayern, in der Oberpfalz. Fragen Sie nach Sergeant Huey O’Brien, auch als Hitman bekannt. Ich werde Sie ankündigen. Fragen Sie ihn nach dem Blade Runner.«
12
Das Bild zeigte zwei Frauen und sechs Männer, die sich zum Zeitpunkt der Explosion in der vierten Etage bei Clearwater aufgehalten hatten.
Das gesamte Haus war videoüberwacht worden. Die Bilder, die die einzelnen Kameras aufgenommen hatten, waren zentral im Serverraum im Untergeschoss zusammengeführt und auf Festplatte archiviert worden.
Demandts Männer hatten am Nachmittag Zugang zu den Dateien bekommen, nachdem der Geschäftsführer, der sich zum Zeitpunkt der Explosion im Ausland aufgehalten hatte, ihnen die Zugangscodes mitgeteilt hatte. Alles war beim Sicherheitsunternehmen Clearwater mit neuester Technik ausgerüstet worden – schließlich musste man den Auftraggebern ein Vorbild in sicherheitstechnischen Fragen sein.
Nicht weniger bemüht, dafür umso pikierter zeigte sich der Geschäftsführer des Hotels, in dem der Clearwater-Mitarbeiter Dennis Massall auf den geheimnisvollen Kunden getroffen war. Er hatte sich geziert, das Material herauszugeben. Das Treffen hatte in der Lobby stattgefunden und war durch die Sekretärin Massalls akribisch in die Aufgabenliste eingetragen worden. Wie die Videoüberwachung war auch die Kommunikation zentral gesteuert und im elektronischen Time System festgehalten worden.
Auf zwei Bildschirmen liefen diese beiden Aufzeichnungen ab. Links Clearwater, rechts die Lobby des Hotels. Über die Timecodes konnte der Ablauf dieses Nachmittags chronologisch nachvollzogen werden.
Levy saß hinter Demandt, Michaelis und dem Bombenspezialisten des BKA, einem Mann namens Redtha. Es war mittlerweile kurz vor Mitternacht, und Levy fiel es schwer, sich noch länger die immer gleichen Aufnahmen anzuschauen. Sein Tag war anstrengend genug gewesen, nun war es langsam Zeit fürs Bett. Doch Demandt
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