Codename Azteke
Engländer nicht aus den Augen ließ.
Der Kellner servierte den Reis und achtete darauf, den Großteil der Muscheln auf den Tellern zu verteilen.
»Und noch zwei Bier«, bestellte Florin und schenkte Hadley damit weiteren Aufschub. Der Mexikaner sah sich um und bestätigte den Leuten an den umliegenden Tischen mit einem Lächeln die Qualität des Essens. Dann, für den zufälligen Beobachter noch immer lächelnd, wandte er sich wieder an Jack. »Das hier ist kein Spiel.«
»Ich … ich bin ein wenig aus der Bahn geworfen, Mr Florin.«
Der Mexikaner lachte laut auf, und wieder teilten die Zuschauer seine Freude.
»Zumindest sind Sie ehrlich! Das eröffnet uns doch Möglichkeiten.« Bevor Jack irgendetwas einfiel, was er hätte sagen können, fügte Florin hinzu: »Hören Sie …« Er unterstrich die darauf folgende Stille, indem er seine Gabel nahm und eine Muschel aussuchte, die er geschickt aus ihrer Schale befreite und zum Mund führte. »Zunächst einmal sollten Sie damit aufhören, mich Mr Florin zu nennen.«
»Wie soll ich Sie denn nennen?«, erwiderte Hadley lächelnd.
»Sie können mich Genosse nennen«, scherzte Florin, »oder vielleicht Compañero . Das wäre angemessener.« Er lachte und nahm eine Gabel voll Essen.
»Wie Sie wünschen …« Hadley entschloss sich mitzuspielen.
»Ich wünsche nicht, Sie dummer Junge! Nennen Sie mich Jesús wie alle anderen auch!«
»Vielen Dank, das werde ich. Dann sollten Sie mich aber vielleicht auch Jack nennen.«
»Ich werde nichts dergleichen tun. Ich nenne Sie Hadley.« Das sagte er mit einer Entschlossenheit, die zeigte, dass dieses Thema für ihn beendet war.
Eine Weile aßen sie, ohne Krieg oder Gold weiter zu erwähnen. Florin erzählte von Kuba und wie weit das Land seit den frühen Tagen der Revolution gekommen war und wie sie trotz der unerbittlichen Sabotage der Amerikaner überlebt hatten.
»Es ist jetzt natürlich leichter«, fügte er hinzu. Hadley wusste, dass Kuba mittlerweile viele Freunde hatte, nicht nur Russland. Die Europäer waren Kuba gegenüber aufgeschlossen, und wenn das die Amerikaner ärgerte, dann freute das Leute wie Florin nur umso mehr.
Sie beschlossen ihr Mahl mit Karamell-Flan und Kaffee. Florin lenkte die Aufmerksamkeit des Kellners auf sich und bat um die Rechnung. Als er sich auf der Terrasse umsah, lächelten ihm die Leute zu.
»Sie sind offenbar beliebt, Jesús«, meinte Hadley.
»Sie ebenfalls, wie es scheint.« Florin lächelte immer noch, aber sein Tonfall war geschäftsmäßig geworden.
»Sehen Sie die denn nicht?«, fragte er als Antwort auf Hadleys verwunderten Blick. »Die beiden hinter mir, am
Eingang. Dunkle Brillen, trauen sich nicht zu lächeln.« Florin grinste, als Hadley an ihm vorbeisah. »Sierras Männer«, erklärte er.
»Sierra?«
»Wenn Sie ihn bis jetzt noch nicht getroffen haben, werden Sie das noch.«
»Warum?«
»Nun«, fuhr Florin fort, »die folgen nicht mir, oder?«, fragte er und senkte verschwörerisch die Stimme. »Die beiden anderen sind nicht so leicht zu entdecken. Das Paar dort drüben.« Er deutete mit einem Kopfnicken in ihre Richtung. Ein Mann und eine Frau hatten soeben ihr Essen beendet und vermieden es, in ihre Richtung zu sehen.
»Das sind keine Touristen. Und auch keine Kubaner. Nein, mein lieber Hadley«, sagte Jesús schalkhaft, »die gehören zu Ihnen. Mir scheint, als seien Sie nicht allein nach Kuba gekommen!«
In diesem Augenblick kam der Patrón aus dem Restaurant, schüttelte den Kopf und breitete theatralisch die Arme aus, um allen zu verkünden, dass es für Jesús Florin keine Rechnung geben würde – mi casa es su casa und so weiter.
»Nein, nein, nein!«, rief Jesús fröhlich und für alle hörbar. »Mein Freund hier ist ein reicher Engländer. Er muss zahlen!«
Jesús lachte laut, und die Leute an den umliegenden Tischen stimmten in sein Gelächter ein, während der Patrón unter Protest, aber insgeheim erleichtert, wieder hineinging, um die Rechnung zu holen.
4
Im achthundert Meter hoch gelegenen Salamanca fühlte sich der bitterkalte Winter noch kälter an. Im Licht der aufgehenden Sonne über der kastilischen Hochebene wirkten die einsamen Hügel um die Stadt in ihrem winterlich gedämpften Gelb und Ocker wie surreale Kornfelder aus einem Gemälde von van Gogh.
In der Altstadt warfen die imposanten Gebäude einer großen Vergangenheit ihre langen Schatten in die engen mittelalterlichen Gassen und geschützten Kreuzgänge, auf deren eisigen
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