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Codename Hélène

Codename Hélène

Titel: Codename Hélène Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Juergs
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Nürnberger Gesetze wurden deutschen Juden die Bürgerrechte aberkannt, Beziehungen zwischen ihnen und Ariern als »Rassenschande« unter Strafe gestellt. Die braune Diktatur machte Demokraten Angst, aber noch glaubten viele daran, dass Hitler halten würde, was er lügend versprach, den Frieden.
    Der Schoß, aus dem dann jenes Gewürm kroch, das Europa verschlingen würde, war fruchtbar nicht nur diesseits, sondern auch jenseits des Rheins, in Frankreich, Antisemitismus in intellektuellen und bürgerlichen und katholischen Milieus gesellschafts-, faschistische Blut-und-Boden-Parolen und Fremdenhass im Volk mehrheitsfähig. Die Action Français und die rechtsradikalen Mitglieder der Croix de Feu (Feuerkreuzler) hatten 1934 in Paris versucht, das Parlament zu stürmen und die Regierung zu stürzen. Erst nach einer heftigen Straßenschlacht mit einem Dutzend Toten ergaben sie sich. Aber sie gaben nicht auf, woran sie fanatisch glaubten, sondern warteten auf für sie bessere Zeiten. Ihr blindwütiger Hass auf die ab 1936 regierende Volksfront unter Léon Blum, der Croix de Feux verboten hatte, wurde von vielen geteilt, wenn auch verbrämt mit vornehmer klingenden Formulierungen. Aus Angst vor dem Bolschewismus, der unter Stalin in Moskau ähnlich blutig wütete wie die Nazis unter Hitler, fanden Faschisten zunächst klammheimliche, dann aber immer mehr sich öffentlich bekennende Unterstützer im konservativen Bürgertum oder bei reaktionären Würdenträgern der katholischen Kirche.
    Ein Jude an der Spitze des Staats, schrieben Leitartikler der auflagenstarken rechtskonservativen Zeitungen, sei so etwas wie der Untergang der Grande Nation. Erfolgsschriftsteller Céline alias Louis-Ferdinand Destouches hetzte gegen Juden, Kommunisten, Freimaurer und gegen die demokratisch gewählte Regierung: »Lieber ein Dutzend Hitler als einen allzu mächtigen Blum.« Ein anderer führender Antisemit, der Schriftsteller Marcel Jouhandeau, schrieb unter großer Zustimmung der Rechten über die »jüdische Gefahr«, weil dieser Jude Blum »keiner von uns ist«. Die kommunistische Alternative, gleichfalls stark vertreten in Frankreich, verkündet von ebenfalls wortgewaltigen Schreibern, wurde unterstützt aus Moskau, die rechtsradikalen Antisemiten aus Berlin und Rom.
    Frankreich war keine Ausnahme, auch in anderen Ländern Europas machten die Extremisten mobil. In Großbritannien gründete Oswald Mosley die Union der Faschisten, die sich auf ihre Blackshirts genannten Kampfverbände stützten und Andersdenkende niederknüppelten nach dem Vorbild der SA und der Mussolini-Schwarzhemden in Italien. Im Mutterland der Demokratie hatten die Radikalen jedoch keine Chance auf Mehrheiten, sie schafften es nicht einmal ins britische Unterhaus. Im Königreich Italien gab es keine freien Wahlen mehr, oppositionelle Parteien hatte der »Duce« verboten. In Österreich demonstrierten Schlägertrupps der Heim-ins-Reich-Bewegung ihre Stärke, denn die eingeborenen Faschisten waren ihnen nicht radikal genug. Regierungschef Engelbert Dollfuß, selbst Austrofaschist und liberalen Gedankenguts unverdächtig, wurde von einem Nazi-Aktivisten im Bundeskanzleramt ermordet – aber immerhin der Attentäter dann zum Tode verurteilt und hingerichtet. In Portugal regierte der Diktator Salazar, in Spanien begann 1936 der Bürgerkrieg zwischen den Anhängern der Republik und den Falangisten unter General Franco. Internationale Brigaden aus vielen Ländern unterstützten die gewählte Regierung, italienische Faschisten und die Nazis mit ihrer Legion Condor halfen den Putschisten und testeten Waffen, die sie bald anderswo einzusetzen gedachten.
    Die Verbrechen der Wehrmacht und der SS und der Gestapo während der Besatzungszeit sind tief verankert im kollektiven Bewusstsein der Franzosen und in der kollektiven Scham der nachgeborenen Deutschen. Dass den deutschen Verbrechern in Uniform bei ihren Schandtaten viele Franzosen begeistert halfen, ist eine Schande. Das relativiert nicht die Verbrechen der Deutschen. Aber zur Wahrheit gehört es eben auch. In Deutschland wie in Frankreich dauerte es Jahrzehnte, bis die Schuld nicht mehr verdrängt und das Totschweigen gebrochen wurde.
    Nancy Wake schrieb hauptsächlich für den Boulevard. Nur auf dem konnte jemand wie sie ihren Lebensunterhalt verdienen. William Hearst, Erfinder der Yellow Press – so genannt, weil er Klatsch auf gelben Zeitungsseiten veröffentlichen ließ, was auffiel und Auflage machte –, hatte damals

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