Codename Merlin - 3
dem Körper verbarg der Matrose dabei den Lichtschein vor jedweden Blicken an Land.
Einen Augenblick später änderte die Barkasse dann den Kurs. Hart legten sich die Männer in die Riemen, als Mahlyk auf den matten Lichtschein zuhielt, auf den der wachsame Midshipman den Captain aufmerksam gemacht hatte. Major Bahrkly Harmyn lehnte sich in seinem Sessel zurück, streckte sich und gähnte herzhaft. Langhornes Wache war fast schon hereingebrochen, die kurze Zeitspanne zwischen Mitternacht und der echten ersten Stunde des neuen Tages. Theoretisch hätte Harmyn diese Zeit damit verbringen müssen, über alle Gaben Gottes und die Verpflichtung seiner selbst den Erzengeln und Gott gegenüber zu meditieren. In Wirklichkeit war er jedoch ganz damit befasst, einfach nur nicht einzuschlafen.
Erneut gähnte er und richtete sich wieder auf. Die Öllampen seines Arbeitszimmers spendeten ihm ein wenig Licht, aber als ›hell‹ hätte er es niemals bezeichnet. Irgendwo auf der anderen Seite der Tür zu seinem Arbeitszimmer befanden sich jetzt zwei Adjutanten und eine Ordonnanz; zweifellos gaben auch sie ihr Bestes, nicht einzuschlafen. Natürlich dürfte es diesen Dreien deutlich leichter fallen als Harmyn selbst. Wahrscheinlich hatten sie nicht die ganze vorangegangene Nacht damit verbracht, sich durch die Hafenkneipen zu trinken − ganz im Gegensatz zu ihm.
Hätte ich ja auch nicht gemacht, wenn ich gewusst hätte, dass der Dienst heute an mir hängen bleibt, dachte er säuerlich.
Bedauerlicherweise hatten seine Vorgesetzten dazu nicht seine Meinung eingeholt, als auf der Suche nach einem Ersatz für Major Tyllytsyn sein Name gefallen war. Tyllytsyn würde noch eine ganze Zeit lange diese Wache nicht mehr übernehmen. Dennoch hatte er immer noch deutlich mehr Glück gehabt als sein Pferd. Das arme Tier war in einen Echsenbau getreten und hatte sich, ebenso wie sein Reiter, ein Bein gebrochen. Doch während Tyllytsyns Bein geschient und eingegipst worden war, hatte man das Pferd einfach erschossen. Und dann war ein gewisser Major Harmyn darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass er auf Anweisung des Colonels bis auf Weiteres Tyllytsyns Nachtwachen zu übernehmen habe.
Wenigstens wird heute wohl kaum irgendetwas passieren, dachte er. Ungeduldig wartete Captain Yairley ab und schaute zu, wie der zweite Kutter der HMS Torrent aus der nächtlichen Finsternis auftauchte. Er war froh, das Boot zu sehen − Lieutenant Symyn, der First Lieutenant der Torrent, war offiziell sein Erster Offizier −, doch zumindest einer der anderen Kutter und damit auch seine fünfunddreißig Mann Besatzung waren offensichtlich vom Kurs abgekommen.
Das war nicht überraschend. Tatsächlich hätte es Yairley so sehr überrascht, wenn nicht ein Einziges vom Kurs abgekommen wäre. Jeder Offizier der Charisian Navy kannte das erste Gesetz des Krieges: ›Wenn etwas schiefgehen kann, dann wird es auch schiefgehen.‹ Außerdem hätte es jeder Marineoffizier für ein wahres Wunder gehalten, wenn es gelungen wäre, mehrere Dutzend Barkassen, Kutter und Gigs über eine Strecke von fast zwölf Meilen bei stockfinsterer Nacht zusammenzuhalten.
Das Problem war nur, dass Yairley von seiner aktuellen Position aus nicht das Geringste sehen konnte, höchstens gelegentlich einen Lichtschein. Er hatte den einfachsten Plan entworfen, den er sich nur vorstellen konnte, dann hatte er sämtliche Offiziere, die irgendetwas mit dem heutigen Spaß zu tun hatten, sorgfältigst eingewiesen. Jeder einzelne von ihnen hatte ihm mindestens zweimal erklären müssen, welche Aufgabe genau er zu erfüllen und welche Rolle er zu spielen hatte, und jedem von ihnen hatte Yairley auch Anweisungen für den Notfall erteilt − was zu geschehen habe, wenn beispielsweise einer der anderen nicht rechtzeitig das jeweilige Ziel erreichte. Das bedeutete natürlich nicht notwendigerweise, dass die betreffenden Offiziere ihre Anweisungen auch verstanden hatten. Und wenn, dann sagte das immer noch nichts darüber aus, welche Navigationsfehler sich aufgrund von Wind und Gezeiten ergeben mochten. Es war sogar denkbar − zumindest theoretisch −, dass die fünf Boote, die Yairley im Augenblick sehen konnte, tatsächlich die einzigen waren, die das avisierte Ziel tatsächlich überhaupt erreicht hatten.
Hör auf damit! Er schüttelte den Kopf. Natürlich sind die da draußen … irgendwo. Und jeder einzelne von denen erwartet dein Signal.
Symyns Kutter ging längsseits zu Yairleys Barkasse.
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