Codename Merlin - 3
leise.
»Das überrascht mich nicht«, erwiderte er. »Andererseits gibt es einige Dinge, die sich hier in Sankt Zherneau leichter erklären lassen, als das im Palast der Fall gewesen wäre. Dinge, die Euch, dessen bin ich mir sicher …« − plötzlich blickte er Merlin geradewegs in die Augen − »… doch ein wenig überraschen werden.«
»Aus irgendeinem Grund bezweifle ich das nicht im Mindesten«, gab Merlin nüchtern zurück.
»Was ich zu Cayleb gesagt habe, entsprach sehr wohl der Wahrheit«, erklärte Staynair jetzt. »Zhon …« − er nickte Byrkyt zu − »… ist tatsächlich ein alter Freund von mir. Und auch um seine Gesundheit ist es alles andere als gut bestellt. Allerdings bin ich recht zuversichtlich, dass er heute Nachmittag noch nicht die Letzte Ölung benötigen wird.«
»Ich bin erleichtert, das zu hören, Eure Eminenz.«
»Ich auch«, setzte Byrkyt hinzu und lächelte ebenfalls.
»Na … ja, natürlich.« Es wirkt fast, als sei Staynair das Ganze ein wenig peinlich, dachte Merlin, so unwahrscheinlich ihm das auch erschien. Doch wenn dem so war, so ließ der Erzbischof sich dadurch nicht lange aufhalten.
»Wie dem auch sei«, sprach er weiter, »war meine eigentliche Absicht, Euch hierher zu bringen.«
»Und aus welchem Grund genau wolltet Ihr mich hierherbringen, Eure Eminenz?«, erkundigte sich Merlin höflich.
»Das wird wohl eine etwas längere Erklärung erfordern.« Staynair lehnte sich in seinem Stuhl zurück und schlug ein Bein über das andere. Dann schaute er Merlin ruhig an.
»Das Kloster Sankt Zherneau ist wirklich ziemlich alt«, sagte er. »Tatsächlich heißt es − und in diesem Falle glaube ich aus mehrerlei Gründen, dass es stimmt −, dieses Kloster sei auf den Überresten der ältesten Kirche von ganz Tellesberg errichtet worden. Es lässt sich bis auf wenige Jahre nach der Schöpfung zurückverfolgen. Es gibt sogar einige Anzeichen dafür, dass die Kirche, die hier ursprünglich einmal stand, am Tag der Schöpfung selbst errichtet wurde.«
Merlin nickte und musste sich erneut ins Gedächtnis zurückrufen, dass die Kirche des Verheißenen, im Gegensatz zu allen Religionen von Terra, mit denen er vertraut war, den Augenblick der Schöpfung tatsächlich auf Tage, Stunden und sogar Minuten genau angeben konnte. Und es war ein Datum und eine Uhrzeit, die nicht nur in der Heiligen Schrift selbst angegeben wurde, sondern auch in den Offenbarungen − den persönlichen Erinnerungen der ersten acht Millionen Adams und Evas, die diesen Tag selbst miterlebt hatten. Natürlich erinnerte sich keiner von all diesen Menschen, die jene Tagebücher, Briefe und Berichte hinterließen, noch daran, dass sie sich einst freiwillig dafür gemeldet hatten, eine neue Welt zu kolonisieren. Denn auf der Reise dorthin hatte man ihnen sämtliche Erinnerungen gelöscht und sie so umprogrammiert, dass sie allesamt glaubten, bei dem Kommandostab dieser Kolonie handle es sich um Erzengel.
»Außerhalb von Charis ist Sankt Zherneau nicht sonderlich bekannt«, sprach Staynair weiter. »Das Kloster ist nicht sehr groß, und die Bruderschaft von Zherneau hatte nie besonders viele Mitglieder, vor allem nicht im Vergleich mit den anderen, wirklich großen Orden. Natürlich gibt es eine ganze Menge kleiner Mönchs- und Nonnenklöster, und die meisten von ihnen kommen und gehen irgendwann auch wieder. Die weitaus meisten davon werden gegründet, nachdem ein besonders frommer und hingebungsvoller Oberhirte mit seinem Leben ein Beispiel gibt; er zieht dann zu Lebzeiten einige ähnlich denkende Menschen an. Mutter Kirche hat derartige Gemeinschaften stets gebilligt, und die überwiegende Mehrheit hält ehrlich gesagt nicht länger als vielleicht noch eine weitere Generation nach dem Tode ihres Begründers. Meist werden sie von einem der größeren Orden unterstützt, und wenn sie dann wieder eingehen, dann fallen deren Besitztümer und Grundstücke − so es denn überhaupt welche gibt − dem jeweiligen Orden anheim, der ihnen hat Unterstützung angedeihen lassen.
Die Bruderschaft Sankt Zherneau hingegen ist … einzigartig, und das gleich in mehrerlei Hinsicht. Zunächst einmal wurde dieser Orden genau hier in Tellesberg gegründet, nicht in Zion, unter dem Schutz und im Namen des ersten Bischofs von Tellesberg, noch bevor für dieses Gebiet ein Erzbischof überhaupt benannt wurde. Zweitens wurde diese Bruderschaft nie von nur einem einzigen Orden unterstützt, und so sind auch die Mitglieder
Weitere Kostenlose Bücher