Codename Merlin - 3
geht, Pater, lautet vielmehr, warum dem so ist und wie das möglich war und warum Sie und der Erzbischof sich dafür entschieden haben, mich darauf aufmerksam zu machen.«
»Die Frage?«, gab Byrkyt zurück. »Wenn ich mich nicht verzählt habe, sind das mindestens drei Fragen, Seijin.« Er lachte leise. »Wie dem auch sei. Ich werde die letzte dieser Fragen zuerst beantworten, wenn es Euch recht ist.«
»Das ist mir sogar sehr recht«, erwiderte Merlin, auch wenn er sich selbst eingestehen musste, dass er sich selbst dessen nicht ganz sicher war.
»Der Grund dafür, dass Maikel sich entschieden hat, Euch heute hierher zu bringen, Seijin, hat mit einem Brief zu tun, den er von König Haarahld erhalten hat. Er wurde kurz vor dem Tode des Königs abgefasst, und vor allem ging es darin um die Strategie, mit der man die Flotte unter dem Kommando von Herzog Black Water würde hinhalten können, bis Cayleb − und natürlich Ihr − vom Armageddon-Riff zurückgekehrt wäret, um sich ihrer anzunehmen. Tatsächlich …« − wenn Staynairs Blicke sich wie Bohrer in Merlins Augen fraßen, so waren die Augen Byrkyts regelrechte Hochleistungslaser − »… hat es damit zu tun, woher er so genau wusste, wie lange man Black Water würde hinhalten müssen.«
Völlig reglos blieb Merlin sitzen. Weder Cayleb noch Haarahld hatte er genau erläutert, wie es ihm möglich gewesen war, innerhalb von weniger als zwei Stunden eine Strecke von viertausend Meilen zurückzulegen, um Haarahld eine Warnung über Black Waters neue Strategie zukommen zu lassen. Er war erstaunt und immens erleichtert gewesen, wie ruhig Haarahld sein ›wundersames‹ Erscheinen auf der Heckgalerie des königlichen Flaggschiffes aufgenommen hatte, noch dazu mitten in der Nacht, doch Merlin musste sich selbst eingestehen, dass seine Gedanken so sehr auf die derzeitige, unmittelbare Bedrohung gerichtet gewesen waren, dass er nicht einmal versucht hatte herauszufinden, warum der König so wenig erschrocken reagiert hatte.
Und er hätte niemals in Erwägung gezogen, Haarahld könne irgendjemand anderem davon berichtet haben, nicht einmal seinem Beichtvater.
Schweigen senkte sich über die Studierzimmer-Bibliothek. Sonderbarerweise erschien es Merlin fast, als seien Staynair und Byrkyt in Wirklichkeit PICAs, die mit unerschütterlicher Geduld abwarteten, während Merlin sich über die Bedeutung dessen, was Byrkyt gerade gesagt hatte, allmählich klar wurde … und sich überlegte, wie er wohl darauf reagieren sollte.
»Pater«, sagte er schließlich, »Eure Eminenz, ich weiß nicht genau, was König Haarahld Euch geschrieben hat. Ich kann jedoch nur annehmen, dass er mich darin, wie auch immer seine Worte gelautet haben mögen, nicht bezichtigt, ein Dämon zu sein.«
»Wohl kaum, Merlin.« Staynairs Stimme klang sehr sanft, fast schon tröstlich, und als Merlin ihn neugierig anschaute, lächelte der Erzbischof in sich hinein, fast als hinge er alten, angenehmen Erinnerungen nach. »Er war tatsächlich sogar aufgeregt, fast begeistert. Was diese Begeisterungsfähigkeit angeht, ist er in mancherlei Hinsicht zeit seines Lebens ein kleiner Junge geblieben. Ach …« − der Erzbischof vollführte eine abwehrende Handbewegung − »… er war natürlich nicht völlig immun der Befürchtung gegenüber, er könne einen gewaltigen Fehler machen, wenn er sein Vertrauen in Euch setzte, und Ihr würdet Euch vielleicht doch noch als eine Art ›Dämon‹ herausstellen. Schließlich sprechen wir hier von echten Glaubensfragen, bei denen die reine Vernunft nur einen Teil aufzufangen vermag − und manchmal ist dieser Teil sehr, sehr klein. Dennoch, Merlin, kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem ein jedes Kind Gottes alles, was es ist, zusammennehmen muss, und auch alles, was es jemals zu sein hoffen kann, und sich dann entscheiden. Nach allen Überlegungen, nach allen Gebeten, nach aller Meditation, kommt früher oder später für jeden von uns dieser Augenblick der Entscheidung. Manche bringen niemals den Mut auf, diese Entscheidung zu fällen. Sie wenden den Blick ab, flüchten sich in das, was andere sie gelehrt haben, was andere ihnen zu denken und zu glauben befohlen haben, statt diese Entscheidung zu treffen und diese Prüfung ihrer selbst hinzunehmen.
Aber Haarahld war niemals ein Feigling. Als dieser Moment für ihn kam, hat er ihn sofort als eben diesen erkannt, und er hat sich ihm gestellt, und er hat sich dafür entschieden, Euch zu vertrauen. Er hat mir in
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