Codename Merlin - 3
Und trotz allem, was diese Narren in Zion glauben mögen, ist Gott ein Gott der Liebe, Merlin, kein Gott eiserner Disziplin und gedankenloser Zurückweisung. Seine unergründlichen Wege mögen manchmal schwer sein, und Er mag auch viel von Seinen Dienern verlangen, doch was auch immer Er sonst sein mag, dumm ist Er nicht. Er weiß, was Er Menschen wie Euch im Laufe der Zeit abverlangt. Und ob Euch das nun bewusst ist oder nicht, Gott erkennt Euch auch als einen der Seinen. Ich zweifle nicht daran, dass Gott, als Nimue Albans fleischlicher Körper starb, eine weitere Aufgabe, eine weitere Pflicht für sie bereithielt. Es gibt zu wenige wahrhaft gute Seelen, als dass Er eine Seele hätte verschwenden können, die so hell leuchtete. Und so hat Er diese Seele schlafen lassen, bis eines Tages eine Maschine, ein … PICA in einer Höhle hier auf Safehold erwachte. Ihr tragt Nimue Albans Seele in Euch, Merlin Athrawes. Zweifelt niemals daran! Stellt das niemals infrage … und auch nicht Euch selbst.«
Endlose Sekunden lang blickte Merlin den Erzbischof nur schweigend an. Dann, schließlich, nickte er. Er sprach kein einziges Wort. Das war auch nicht nötig.
Lange Zeit hielten die anderen das Schweigen. Schließlich räusperte sich Cayleb.
»Was auch immer das für Euch bedeuten mag, Merlin, ich stimme Maikel voll und ganz zu. Vielleicht ist es gut − nein, es ist gut −, dass Ihr nicht versucht habt, mir das alles an Bord der Dreadnought zu erklären, kurz vor der Schlacht im Darcos-Sund. Aber es ist genau so, wie ich Euch das vor einiger Zeit in King’s Harbour gesagt habe … als Ihr diesen Kraken getötet habt. Ihr mögt in der Lage sein zu verbergen, was Ihr seid, aber Ihr könnt unmöglich verbergen, wer Ihr seid und was Ihr fühlt. Es tut mir Leid, das sagen zu müssen, aber das könnt Ihr einfach nicht sonderlich gut.«
»Na, vielen Dank auch«, gab Merlin zurück und verzog das Gesicht.
»Nichts zu danken.« Cayleb grinste ihn an. »Andererseits wird es wohl einige Zeit dauern, bevor ich das alles hier richtig verarbeitet habe. Das wird doch einige meiner wichtigsten Grundannahmen umstürzen.«
»Das gewiss«, stimmte Merlin ihm zu. »Dennoch wird es kaum etwas an den Bedingungen ändern, denen wir alle hier unterworfen sind. Im Orbit schwebt immer noch dieses System für die kinetische Bombardierung. Und es gibt immer noch diese Energiequellen unterhalb des Tempels, die ich bislang noch nicht habe identifizieren können. Alleine schon diese beiden Dinge sind verdammt gute Gründe dafür, das Geheimnis weiterhin zu bewahren − in genau der Art und Weise, wie das die Bruderschaft die letzten vier Jahrhunderte getan hat. Ich für meinen Teil habe absolut nicht die Absicht, Charis in ein zweites Armageddon-Riff zu verwandeln.«
»Zugegeben.« Cayleb nickte. »Aber nach allem, was Ihr gesagt habt, gibt es noch enorm viel, das Ihr uns lehren und zeigen könnt.«
»Ja und nein.« Merlin nahm einen weiteren Schluck von seinem Wein, dann stellte er das Glas beiseite und beugte sich in seinem Sessel vor, die Arme auf die Lehnen gestützt.
»Ich kann Euch lehren, aber ich kann nicht einfach das Wissen an Euch weitergeben. Aus vielerlei Gründen, einschließlich der Tatsache, dass die Kirche darauf keinesfalls aufmerksam werden darf, und auch, weil niemand weiß, ob es nicht irgendwelche ferngesteuerte Sonden gibt, die Daten an diese undefinierbaren Energiequellen unterhalb des Tempels weiterleiten. Aber selbst wenn mir das nicht derartige Sorgen bereiten würde, könnte ich doch nicht einfach die Kirche als Quelle jeglicher Autorität ablösen. Die Menschen auf ganz Safehold müssen das erlernen, was Ihr hier in Charis bereits tut, Cayleb. Sie müssen lernen zu denken. Sie müssen endlich davon ablassen, die Dogmen und Verbote ohne jegliches Hinterfragen zu akzeptieren. Bislang nehmen sie derartige Dinge einfach hin, egal ob es nun die Kirche des Verheißenen ist, die ihnen sagt, genau das müssten sie tun, oder irgendein allwissendes Orakel aus der Vergangenheit. Wir müssen Safehold in eine Welt verwandeln, in der das Volk die physikalische Welt, die sie umgibt, wirklich verstehen will. Wir brauchen Menschen, die gerne denken, die gerne Neuerungen entwickeln, die sich gerne ganz eigenständig neue Vorgehensweisen überlegen. Das ist einer der Gründe − in vielerlei Hinsicht sogar der Hauptgrund −, weswegen ich Vorschläge unterbreitet habe und Möglichkeiten aufgezeigt, mich aber dann zurückgezogen habe,
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