Codename Sparta 02 - Das Venusraetsel
haben wir Ihre Flugbahn mit etwas größerer Genauigkeit berechnet, Dr. Gress. Mit jeder Umrundung werden Sie weiter nach außen getragen, bis Sie am Ende im Spinnennetz von L-1 landen. Aber so lange werden Ihre Vorräte wohl kaum reichen.«
Als Antwort kam nur das Rauschen des Äthers. Es hielt so lange an, daß alle bis auf Sparta und Blake schon aufgegeben hatten, dann flackerten plötzlich einige Lichter auf den Steuerelementen auf. Sogar einige Leute von der Startleitung regten sich wieder. Auf den Flachschirmen formten sich Bilder. Kurz darauf kam Gress’ verstörte Stimme über Radiofunk. »Jetzt haben Sie die Kontrolle über diese Kapsel. Machen Sie, was Sie wollen.«
»Er hat die Handsteuerung ausgeschaltet«, sagte Van Kessel.
Bevor noch jemand aus der Zentrale antworten konnte, hatte Sparta bereits die Koordinaten in die Steuereinheit des Startleiters eingegeben. »In wenigen Sekunden werden Sie eine kleine Beschleunigung spüren, Dr. Gress. Bitte sorgen Sie dafür, daß Sie angeschnallt sind.« Sie hatte das Lenkprogramm der Kapsel umgeschrieben und abgesichert, bevor Van Kessel ihre Berechnung bestätigen konnte.
»Das hätten wir auch gekonnt«, murrte er.
»Ich wollte ihm keine Zeit lassen, seine Meinung zu ändern.«
Aus den Angaben der Steuereinheiten ging hervor, daß irgendwo über dem Mond die Motoren von Gress’ Kapsel feuerspeiend ihre Tätigkeit aufgenommen hatten und er auf seine Rettung bei L-1 zusteuerte.
Sparta war so müde, daß ihr alles weh tat.
»Werden Sie denn hier noch länger gebraucht?« fragte Blake.
»Nein, Blake, jetzt will ich nur noch bei Ihnen bleiben.«
Eins mußte noch erledigt werden, bevor dieser endlose Tag vorüber war. Man hatte Katrina Balakian in die kleine Zelle bei der Sicherheitsabteilung der Station unter der Wartungskuppel gesperrt. Sparta und Blake betrachteten ihr Bild auf dem Flachschirm. Die Astronomin saß ruhig in einem Sessel und starrte auf ihre gefalteten Hände.
»Ist es Catherine?« fragte Sparta Blake.
Er nickte.
»Wir gehen hinein«, sagte Sparta zu dem Wärter.
Der Wärter gab die Kombination auf der kleinen, in der Wand eingelassenen Konsole ein, und die Tür ging auf. Katrina sah sie weder an, noch rührte sie sich. Der Geruch, der ihnen aus dem Raum entgegenschlug, wirkte irgendwie altmodisch. Sie wußten sofort, was es war: Bittermandeln.
Sekunden später hatte Sparta sich vergewissert, daß Katrina Balakian an Blausäurevergiftung gestorben war. Sie hatte sie sich mit einer der ältesten Methoden einverleibt – einem hohlen Plastikzahn. Ihre Gesichtszüge mit den schockiert aufgerissenen Augen waren erstarrt, als sie gemerkt hatte, daß ihr der Atem urplötzlich und unwiderruflich abgeschnitten wurde.
»Sie hat Gress angelächelt, als sie ihn zum letztenmal sah«, sagte Sparta zu Blake. »Ich dachte, sie hätte es getan, weil sie ihn liebte. Vielleicht stimmt das, aber auf jeden Fall wußte sie auch, daß er jetzt für ihre Sache in den Tod ging.«
»Sie war also am Ende sehr viel tapferer als er«, sagte Blake.
Sparta schüttelte den Kopf. »Nein, das würde ich nicht sagen. Ich glaube, wenn man die Kapsel auf L-1 öffnet, wird man einen Toten darin finden.«
»Warum wollte er dann, daß wir ihn nach L-1 schicken?« fragte Blake.
»Aus Trotz. Er wollte, daß wir erfahren, daß er absichtlich gestorben ist.«
»Du lieber Himmel, Ellen, hoffentlich haben Sie wenigstens dieses eine Mal unrecht.«
Aber sie sollte recht behalten; das jedoch erfuhren die beiden erst spät am darauffolgenden Tag …
An jenem Abend landeten sie in einem unscheinbaren Zimmer in den Besucherquartieren, mit brokatüberzogenen Wänden und Teppichen an Boden und Decke. Die Einrichtung war zweckmäßig, modern und seelenlos, aber darauf achteten die beiden nicht. Sie machten nicht einmal Licht.
Ihr Schutzanzug ließ sich nur langsam entfernen. Sie machte es ihm nicht einfach, leistete aber auch keinen Widerstand. Und als beide schutzlos dastanden, umarmten sie sich lange und bewegten sich kaum, sprachen kein Wort. Dann wurde ihr Atem gleichmäßiger und tiefer, und er half ihr dabei, sich hinzulegen. Als er sich neben sie legte, stellte er fest, daß sie bereits schlief.
Er gab ihr einen Kuß auf den weichen Flaum in ihrem Nacken. Und bevor er es merkte, war auch er eingeschlafen.
18
Nach gut einem Drittel der Entfernung zwischen der Farside-Basis und der Sonne drehte Port Hesperus unablässig seine Runden hoch über den Wolken der Venus.
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