Codename: Sparta - 6 - Das Weltenschiff
für sie gewesen war. Das Ego bekommt einen Knacks, und die kleinen Eifersüchteleien, die während der Amaltheaexpedition aufgekommen waren, wichen rasch privaten Sorgen. Zum einen benötigte der Fremde uns nicht, jedenfalls nicht unserer Fähigkeiten wegen. Thowintha hielt uns aus Gründen am Leben, die nur ihm selbst bekannt waren. Vielleicht war es für ihn auch schlichtweg ohne jede Bedeutung.
Was wir auch taten, welches Ziel wir auch vor Augen haben mochten, ganz gleich, wie schwierig es war oder wie weit es in der Zukunft liegen mochte – nichts konnte unserem Abenteuer ein Ende bereiten. Das konnte nur der Tod. Wir hatten bereits den gleichen unerschütterlichen Ausdruck im Gesicht, mit dem die Wagenzugpioniere in unbekanntes Land vorgestoßen waren. Wir hofften darauf, einen Platz für uns zu finden. Gleichzeitig wußten wir jedoch, daß wir ihn – wenn überhaupt – erst dann erkennen würden, wenn wir ihn vor uns sahen.
Schließlich hatte McNeil nach einer endlos scheinenden Pause das letzte Wort. »Das wäre also erledigt. Und was gibt es zum Abendessen?«
Wir lachten, eher aus Erleichterung, als daß wir es komisch gefunden hätten. Das Abendessen ließ nicht lange auf sich warten. Wer monatelang nur intravenös ernährt worden war, dem schmeckten Krabben, Tintenfisch und Seetang ausgezeichnet.
Ich bedauerte nur, daß wir immer noch in unserem viel zu engen Raumschiff waren und nicht sehen konnten, was außerhalb des uns umschließenden, schimmernden Rumpfes lag.
6
»Erst lange danach erfuhr ich, was sich außerhalb des Schiffes befand«, erzählt Forster seinen Zuhörern. »Ich ließ mir beschreiben, was keiner von uns sehen konnte …«
Der Diamantmond, unser verspiegeltes Weltenschiff, fiel sanft dem Spiegelbild der Sonne entgegen, der strahlend hellen Venus. Bei seinem Sturz ließ es jedoch andere Lichter am Himmel zurück, die erschreckend nahe kamen. Glühende Streifen, die am sternenübersäten Nachthimmel hingen wie auf die Sonne gerichtete Schlachtflaggen.
Die Nacht war voller Kometen.
Das gewaltige Triebwerk flackerte kurz auf; das Weltenschiff verlor an Umlaufgeschwindigkeit und sank in steilem Winkel auf die Wolkenspitzen des Planeten hinunter. Der Anblick dieser Wolken hätte uns an Bord der Ventris überrascht. Sie waren zwar ebenso hoch und dicht wie die Wolken auf unserem Heimatplaneten, aber hatten nicht die schwefelgelbe Farbe von Industrieabgasen, sondern die strahlend hellblaue Farbe von Wasserdampf.
Das dreißig Kilometer lange Weltenschiff versank in diesen Wolkenbergen und verlor im Verhältnis zum Hintergrund des Planeten langsam an Größe und Helligkeit, bis es schließlich vom Nebel geschluckt wurde.
Grün, tausend Grünschattierungen – das Grün harter, glänzender Blätter und federgleicher Farnwedel, auf denen die Feuchtigkeit wie Diamanten schimmerte, und faseriges Grün, das dumpf glänzte und wie Ballen grünen Brokatstoffs von den rotschwarzen Klippen hing …
Eine Million Jahre oder länger hatten kräftige, stetige Winde und unaufhörliche Regenfälle diese schroffen Basaltfelsen in messerscharfe Felskämme geschnitten, die Tausende von Metern aus der unnachgiebigen Brandung eines grau-grünen Meeres ragten.
Der verhangene Himmel war schwarz von durch die Luft wirbelnden Vogelwesen – wie Tintensprenkel auf dickem, weißem Papier. Wo die Wesen nisteten, waren die Klippenspitzen kreideweiß verschmiert. Riffs umsäumten die Küste, und in den kleinen Buchten am Fuß der Klippen, die rotgoldene Sandstrände umrahmten, bogen sich geschmeidige Bäume wie Kokospalmen im heißen Wind. Die Klippen erstreckten sich über Hunderte von Kilometern nach Osten und Westen. Weiße Wasserfälle stürzten in das flache, grüne Meer, in dem es unter einer Gischtkrone aus Schaum ständig brodelte, denn die Ozeane der Venus besaßen an der Oberfläche eine Temperatur von knapp hundert Grad.
Zwar waren da die vogelähnlichen Wesen, die die Geschehnisse verfolgen konnten, doch intelligente Lebensformen, die durch die kilometerweite, dampfende, regenverhangene Luft hätten sehen können, gab es nicht. Die Millionen Augen der kreisenden Vogelwesen, die des Denkens nicht fähig waren, nahmen nur ein riesiges Etwas wahr, das aus dem Wolkendach herabsank – einen gewaltigen Diamantenschild, einen makellosen, konvexen Spiegel, in dem sich eine grüne Welt aus Wellenkämmen und Klippenspitzen spiegelte, aus feuchter Vegetation und geschwungenen Riffs – und aus
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