Codename Tesseract - Wood, T: Codename Tesseract - The Killer
beiden gebildet, aber in Victors Beruf war eine potenzielle Gefährdung so lange eine definitive Gefährdung, bis das Gegenteil bewiesen war. In
der Lobby war er ungedeckt, verwundbar, auch wenn er sich das in keiner Weise anmerken ließ. Niemand schenkte ihm die geringste Aufmerksamkeit. Er benahm sich wie alle anderen, sah aus wie alle anderen.
Nach einer weitverbreiteten Vorstellung trugen Victor und seine Berufsgenossen immer nur schwarze Kleidung, aber einem Klischee zu entsprechen war nicht Victors Hauptinteresse. Wie die meisten Menschen sah auch er in Schwarz gut aus, zu gut für jemanden, dessen Leben unter Umständen davon abhing, unbemerkt zu bleiben. Mit seinem dunkelgrauen Anzug, dem weißen Baumwollhemd und der einfarbigen silbernen Krawatte entsprach Victor von Kopf bis Fuß dem Bild eines respektablen Geschäftsmanns. Den wollenen Anzug hatte er von der Stange gekauft, hervorragende Qualität, aber etwas größer als nötig, ohne jedoch allzu schlecht zu sitzen, um zusätzlichen Spielraum an Hüften, Oberschenkeln, Armen und Schultern zu haben. Seine schwarzen Oxford-Schuhe glänzten, aber nicht zu sehr, waren knöchelhoch und besaßen eine dicke Profilsohle. Dazu kamen eine einfache Brille und ein langweiliger Haarschnitt.
Sein äußeres Erscheinungsbild war ganz darauf abgestimmt, eine nichtssagende, neutrale Gestalt zu schaffen. Wer versuchen sollte, sich an ihn zu erinnern, würde sich sehr schwertun, eine genaue Vorstellung zu bekommen. Ein Mann mit Anzug, wie Millionen andere auch. Abgesehen von der leicht abzunehmenden Brille, gab es nur noch ein anderes hervorstechendes Merkmal, das möglicherweise bemerkt würde, und genau dazu war es da: um die Aufmerksamkeit von anderen Dingen abzulenken. Er würde es nachher abrasieren. Er wirkte schick, aber nicht stilvoll, gepflegt, aber durchschnittlich, selbstbewusst, aber nicht arrogant. Leicht zu vergessen.
Er trat an den Tresen und lächelte höflich, als die schwarzhaarige Rezeptionistin den Kopf hob und ihn anschaute. Sie besaß sonnengebräunte Haut und große Augen und war gekonnt, aber unauffällig geschminkt. Ihr Lächeln war fröhlich
und falsch. Sie verbarg es gut, aber Victor wusste, dass sie jetzt lieber woanders gewesen wäre.
»Bonjour«, sagte er nicht zu laut. »J’habite à la chambre 407, je suis Mr. Bishop. Pouvez vous me dire si j’ai recu des messages?«
»Un instant, s’il vous plait.«
Sie nickte kurz und sah nach. An der Wand hinter dem Tresen hing ein großer Spiegel, in dem Victor die beiden Männer beobachten konnte. Als die Fahrstuhltüren aufgingen, traten die Männer auseinander und ließen ein Paar durch die Lücke gehen, bevor sie praktisch synchron den Fahrstuhl betraten. Er sah ihre Hände. Sie trugen Handschuhe.
Victor veränderte seine Position ein wenig, um besser ins Innere des Fahrstuhls sehen zu können, erfasste aber nur das Spiegelbild eines der beiden Männer. Victor neigte den Kopf zur Seite und verdeckte einen Teil seines Gesichts, falls der Mann zu ihm herüberblicken sollte. Er besaß helle Haut und ein kantiges, glatt rasiertes Konterfei. Er wirkte hochkonzentriert, den Blick geradeaus gerichtet, die Arme hingen locker am Körper. Seine Handschuhe waren aus braunem Leder. Unter seinem Nylonjackett verbarg sich entweder ein deformierter Brustkorb oder etwas mit den Umrissen einer Pistole. Jeder Rest von Zweifel verflüchtigte sich.
Waren sie von der Polizei? Nein, sagte Victor sich. Der Mord an Ozols war noch keine zwei Stunden her. In so kurzer Zeit konnte er niemals mit dem Verbrechen in Verbindung gebracht werden. Und Geheimdienstler waren es auch nicht. Die hätten es nicht nötig, Handschuhe zu tragen. Das ließ nur noch eine Möglichkeit offen.
Victor tippte auf Osteuropa … Tscheche, Ungar oder vielleicht vom Balkan, wo besonders effektive Killer ausgebildet wurden. Zwei hatte er gesehen, aber es konnten leicht noch mehr sein. Zwei Pistolen sind wirkungsvoller als eine, aber ein ganzes Team war eindeutig noch besser, zumal die Zielperson
ein erfahrener Auftragskiller war. Nur die Besten können es sich erlauben, alleine zu arbeiten.
Die Männer benahmen sich so, als gäbe es noch andere. Sie schenkten ihrer Umgebung keine Beachtung, machten sich keinerlei Gedanken um ihre Sicherheit. Also zusätzliche Überwachung, ein größeres Team. Vielleicht vier, vielleicht auch zehn Mann stark. Falls es noch mehr waren, dann rechnete Victor sich keine Chance aus.
Sie hatten herausgefunden, wo
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