Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
Seite des Potomacs in Langley, Virginia ein. Als die Leitung nach Afghanistan stand, gab General Webb Admiral McRaven etwas kleinlaut an, dass der Präsident den Vormittag auf dem Golfplatz verbringe. Man erwarte ihn erst gegen 14 Uhr Washingtoner Zeit zurück – 30 Minuten vor dem Start der Stealth Hawks.
Um 14 Uhr kam der Präsident vom Golfplatz und aß zu Mittag. Beim Essen wurde ihm mitgeteilt, dass Vizepräsident Joe Biden, Verteidigungsminister Gates und Außenministerin Clinton eingetroffen seien. Als einer der Ersten war der Leiter der Joint Chiefs of Staff, Admiral Mullen, vor Ort gewesen. Sie alle versammelten sich in einem Konferenzraum und warteten auf den Präsidenten.
Ein erfahrener SEAL wurde in die CIA-Zentrale abgestellt, wo er mit CIA-Direktor Leon Panetta die Videoeinspeisung von der Sentinel-Drohne verfolgte, die über Abbottabad kreiste. Während der Operation würde der SEAL dem Direktor erklären, was er da auf den Luftbildern sah. Sobald die Verbindung zum Weißen Haus hergestellt war, würde Direktor Panetta über die Videolinks, die der unerschütterliche General Webb unterhielt, seinen Kommentar abgeben. So konnte Leon Panetta in der CIA-Zentrale bleiben und seinen Senf abgeben zu einer Operation, die die CIA später als die ihre bezeichnen würde.
Im JSOC zuckte keiner mit der Wimper.
In Afghanistan war es um 21.30 Uhr Ortszeit schon stockdunkel. Flashlight 1 und 2, die Chinooks für die Auftankstelle, wurden auf die Startbahn geschleppt und zündeten ihre Triebwerke. Der Command Bird und die fliegende Geschützplattform waren ebenfalls startbereit. Die Sturmtrupps von Razor 1 und 2 halfen der TF-160-Mannschaft, die Stealth Hawks aus dem Hangar zu holen. Wie sich die Crews der Ghost Hawks fühlten, deren Einsatz gestrichen worden war, kann man nur ahnen. Zu beobachten, wie die SEALs in die zweite Garnitur der Stealth Hawks einstiegen und in die Nacht verschwanden, war ein bittersüßer Moment.
Um 22.00 Uhr afghanischer Ortszeit und 14.00 Uhr am Sonntagnachmittag in Washington hoben Razor 1 und 2 ab und flogen auf die pakistanische Grenze zu. Der Command Bird, die Geschützplattform und Flashlight 1 und 2 folgten. Die sechs unbeleuchteten Hubschrauber hielten in einer Linie – die Stealth Hawks weit voraus – auf die Grenze zu. Razor 1 gab eine komplexe Route vor, auf der die Hubschrauber zwischen Bergen, in tiefen Tälern und entlang von ausgetrockneten Wasserläufen so weit wie möglich Deckung suchten, um nicht vom pakistanischen Radar erfasst zu werden. Razor 1 kommunizierte sein Vorankommen mit Kurzcodes. Die Piloten am Steuer trugen Nachtsichtgeräte, die an ihren Helmen angebracht waren. Die Maschine an der Spitze gab Wegpunkte durch, für die die Namen von US-Großstädten verwendet wurden, um die abgeflogene Strecke nach Süden zu kennzeichnen. Die Stealth Hawks und die folgenden Chinooks passierten die Punkte Charlotte, Atlanta und Savannah. Orte in Florida bedeuteten, dass man die Grenze zu Pakistan überflogen hatte. Bevor Razor 1 „Jacksonville“ durchgab, brachen Flashlight 1 und 2 aus der Formation aus und landeten fünf Kilometer vor der Grenze in einem trockenen Flussbett.
Aus Flashlight 2 stiegen 15 SEAL-Einsatzkräfte und sicherten das Gelände im Umkreis, während die Hubschrauber im Leerlauf warteten. Dem Red Squadron war eine im Land stationierte Einheit von Bones Men beigestellt worden. Ihre Aufgabe war es, die wartenden Hubschrauber am vorgeschobenen Auftankpunkt vor Angriffen der Taliban zu schützen. Sie würden während der nächsten drei Stunden für Sicherheit sorgen.
Als sich Razor 1 und Razor 2 der pakistanischen Grenze näherten, fielen der Command Bird und die Geschützplattform etwas zurück und vergrößerten den Abstand zu den Stealth Hawks auf acht Kilometer. Der MH-47 Chinook ist das Arbeitspferd der Spezialeinsatzkräfte in Afghanistan. Mit seinen starken Motoren ist er für Flüge in großer Höhe ausgelegt. Doch im Gegensatz zu den Stealth Hawks ist ein Chinook sehr laut und auf dem Radar ein gut erkennbares Ziel.
In der Einsatzzentrale stellten die Kommunikationsspezialisten Kontakt zum EA-6 Prowler her. Er war ebenfalls in den pakistanischen Luftraum vorgedrungen, doch aus südlicher Richtung. Etwa zur gleichen Zeit, als Razor 1 und 2 die Nordgrenze überquerten, überflog er die Südgrenze. Der Prowler schaltete die Radarstörung ein und verbarg sich und die tiefer fliegenden Hubschrauber vor der pakistanischen
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