Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden
Doppelbelastung macht es einem alten Hund noch schwerer, neue Kunststücke zu erlernen. Es gibt Ausnahmegenemigungen, um die Ausbildung mit über 34 zu beginnen, doch die sind nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind.
BUD/S ist eine sechsmonatige Tortur, die von der Navy dreist als „physisch und psychisch anspruchsvoll“ beschrieben wird. Wenn das mal nicht die größte Untertreibung aller Zeiten ist. Nach der Einteilung in Klassen beginnt für die Anwärter ein zweiwöchiges „Vorabtraining“. An langen Tagen und in langen Nächten bekommen sie die Basics vermittelt. Sollten sie ihre Grundausbildung absolviert haben, ohne viel zu exerzieren oder Schuhe und Metall zu polieren, dann lernen sie es jetzt noch einmal richtig. Ihre Stuben am Strand werden inspiziert, für sandig befunden, auseinandergenommen und erneut inspiziert. Sie müssen ein extremes Sportprogramm namens „BUD/S PT“ absolvieren. Diese strapaziösen körperlichen Übungen wurden von Kinesiologen entwickelt, um jeden einzelnen Muskel des menschlichen Körpers zu trainieren und zu dehnen. Sechs Monate lang müssen die Auszubildenden dieses 90-minütige Übungsprogramm täglich ableisten.
Und sie laufen, laufen und laufen. Die Kursteilnehmer machen eine ganze Reihe immer längerer „Konditionsmärsche“. So heißt zumindest der Programmpunkt.
In kompanieartigen Gruppen gehen die Klassen auf Strandläufe mit SEAL-Ausbildern, denen kaum einmal der Schweiß auszubrechen scheint. Während schwächere Läufer in der Gruppe zurückfallen, halten die schnellsten mit den Ausbildern mit. Wer zurückbleibt, läuft in der trampelnden Masse 50 anderer Teilnehmer und atmet den Staub von 50 weiteren ein, die weiter vorne liegen.
Doch ob sie es an die Spitze schaffen, ist nicht das Einzige, worüber sich die SEAL-Anwärter Gedanken machen müssen. Während des Vorabtrainings verlassen sie bei keinem Lauf den Stützpunkt, ohne dass ein halbes Dutzend Ausbilder dicht aufschließt. Wie Wölfe, die Jungtiere aus der Herde reißen wollen, schießen sie immer wieder in die Gruppe der Nachzügler hinein. Langsamere werden zu Push-ups, Sit-ups und Klappmessern verdonnert, während ihre Mitstreiter ihren Vorsprung ausbauen können. So haben die Ausbilder ihr Ziel bald erreicht und die schwächsten 20 Prozent des Kurses ausgesiebt.
Diese werden zusammengetrieben zu einer eigenen Gruppe, dem „Goon Squad“ – den sogenannten Gorillas. Sie heißen so, weil die langsamsten Läufer meist auch die größten sind. Die angehenden SEALs, die ins Goon Squad kommen, sind nicht selten jenseits der sechs Fuß (1,83 Meter). Unter den Gorillas befindet sich meist ein größerer Prozentsatz der Lehrgangsteilnehmer, die früher Footballspieler oder Bodybuilder waren.
Dort finden sie sich in der Obhut von Ausbildern wieder, die sehr engagiert daran arbeiten, sie zu schnelleren Läufern zu machen. Und zwar zackig. Die Anweisungen sind schwer auszuführen, denn wer zum Goon Squad gehört, darf oft Pause machen – in Push-up-Position, während ihm die kalifornische Brandung kräftig in den Rücken klatscht. Als Dreingabe kriegen die Gorillas immer wieder sogenannte Zuckerplätzchen. Das bedeutet, sie dürfen sich so lange im Sand herumrollen, bis jeder Quadratzentimeter Haut und jede Körperöffnung sandbedeckt sind. So gestärkt, dürfen sie ihren Lauf fortsetzen. Jeden Tag werden die Langsamsten auf diese Weise drangsaliert. Was die Ausbilder der Klasse unmissverständlich klarmachen, ist: „Es lohnt sich, zu gewinnen“ („it pays to be a winner“), und: „Der einzige leichte Tag war gestern“ („the only easy day was yesterday“). So hart sie auch angefasst werden – ein Trost bleibt jedem SEAL-Anwärter: „Zumindest bin ich nicht im Goon Squad.“ Einmal passiert das fast jedem, doch die Erfahrung möchte niemand gern wiederholen. Für manche gehört das Goon Squad aber fast täglich dazu.
Nach einigen Wochen umgibt alle, die durchgehalten haben, ein geheimnisvoller Nimbus. Die anderen Lehrgangsteilnehmer sehen, wie die Leute im Goon Squad morgens, mittags und abends schikaniert werden. Sie sind oft die Entschlossensten im ganzen Kurs. Die Männer aus dem Goon Squad erfüllen in jeglicher Beziehung die Voraussetzungen für einen SEAL – sie können nur nicht laufen wie eine Gazelle, schwimmen wie ein Delfin oder Hürden überspringen wie ein Schimpanse. So mancher Gorilla gehört früher oder später zu den Stärksten und Besten eines Teams. Doch sehr oft
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