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Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden

Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden

Titel: Codewort Geronimo - der Augenzeugenbericht zum Einsatz der Navy-SEALs gegen Osama bin Laden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: BÖRSENMEDIEN AG
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werden die Offiziere und Unteroffiziere der Klasse angewiesen, ihre Männer antreten zu lassen und nachzuzählen, wer vermisst wird. Der Ernstfall wird so realistisch geprobt, wie es den Ausbildern nur möglich ist.
    Doch die Höllenwoche hat damit erst begonnen.
    Während der sechs Höllentage dürfen die SEAL-Anwärter insgesamt höchstens vier Stunden schlafen. Die „Evolutions“ laufen 24 Stunden am Tag und werden von den Ausbildern, die sich jeweils Tag und Nacht abwechseln, in drei Schichten durchgeführt.
    Bei jeder „Evolution“ treten die Anwärter gegen die übrigen Bootsmannschaften an. Gibt einer auf, müssen die anderen seine Last mittragen. Mit jedem Mann verliert ein Boot etwa 16 Prozent seiner Muskelkraft. Fallen zwei Leute aus, hat es ungefähr 30 Prozent seiner Stärke eingebüßt. So wird die Höllenwoche zum Anschauungsunterricht in Sachen Teamwork.
    Offiziere und Unteroffiziere der Klasse müssen führen – und zwar an der Spitze. Offiziere, denen es an Führungsqualitäten mangelt, werden von Ausbildern darauf hingewiesen. BUD/S ist einer der wenigen Ausbildungsgänge des US-Militärs, in dem Offiziere und Mannschaften gemeinsam unterrichtet werden. Sie belegen dieselben Kurse und haben den gleichen Lehrplan. Bei BUD/S ist ein Offizier zur Beaufsichtigung jedes Ausbildungsabschnitts abgestellt, doch die Ausbildung selbst übernehmen hauptsächlich einfache Soldaten. Man könnte sagen, dass sich bei den SEALs die Mannschaften die Offiziere auswählen, von denen sie am Ende geführt werden. Bei BUD/S fallen aber nicht nur die schwachen Offiziere durch. Auch herrschsüchtige, impulsive und rücksichtslose Kandidaten schaffen den Abschluss nicht.
    Wie immer zahlt es sich aus, vorne dabei zu sein. In einer Reihe von Rennen, längeren Paddelstrecken und Übungen zur Problemlösung werden die langsamsten Bootsmannschaften bestraft und müssen das gesamte Prozedere wiederholen. Wer als Erster ins Ziel kommt, bekommt eine zusätzliche Tasse Kaffee zum Essen oder darf im Boot zehn Minuten dösen, während die anderen Mannschaften aufschließen.
    In der Höllenwoche erhalten die SEAL-Anwärter vier Mahlzeiten am Tag – Frühstück, Mittagessen, Abendessen und einen Mitternachtssnack, „Midrats“ genannt. Natürlich müssen sie dafür immer zur Kantine und wieder zurück. Das bedeutet, acht statt sechs Meilen hin und zurück am Tag. Und ihr 100 Kilo schweres Schlauchboot haben sie immer dabei.
    Die Ausbilder begegnen den SEAL-Anwärtern laufend mit psychologischer Kriegführung. Oft bieten sie demjenigen eine Tasse heißen Kaffee und einen Donut an, der als Erster aufgibt. Für SEAL-Anwärter, die seit fünf Tagen ununterbrochen auf den Beinen waren und gerade stundenlang auf dem Pazifik geschaukelt sind, ist die Wärme einer Tasse Kaffee geradezu unwiderstehlich. Kommt ein Mann an seine Grenzen, ist stets ein Ausbilder zur Stelle, der ihm zuflüstert, dass er jederzeit aus medizinischen Gründen aufstecken kann. „Das hier ist doch Wahnsinn“, säuselt ein Ausbilder einem Anwärter im Goon Squad vor. „Es gibt keinen Grund für dich, dir das anzutun. Du musst niemandem etwas beweisen. Wir fahren dich in die Kaserne zurück, du kannst heiß duschen und kriegst morgen deinen Marschbefehl. Keiner erfährt davon.“
    Wenn die Höllenwoche vorüber ist, hat sich die Teilnehmerzahl um ganze 90 Prozent reduziert.
    Die Höllenwoche beginnt mit einem Paukenschlag und endet sang-und klanglos. Irgendwann am Samstagmorgen, sechs Tage nachdem die Quälerei begonnen hat, weisen die Ausbilder die SEAL-Anwärter einfach an, ihre Boote zu sichern, und schicken sie in die Kaserne zurück. Den Augenblick, in dem seine Mannschaft erfährt, dass die Höllenwoche vorüber ist, vergisst kein SEAL. Die Überlebenden sehen aus wie Schiffbrüchige. Ihre Uniformen sind zerrissen und ihre Füße so mit Blasen und Entzündungen übersät, dass man die Teilnehmer an ihren blutigen Fußspuren erkennen kann. Am Samstagmorgen können manche nicht mehr ohne Hilfe laufen. Einige haben dick geschwollene Hände und Füße, andere sind bis zur Unkenntlichkeit von der Sonne verbrannt. Die Haut löst sich in Fetzen von ihren Gesichtern.
    Aber eines haben sie alle gemein. Sie haben nicht aufgegeben.
    Nach der Höllenwoche dürfen die SEAL-Anwärter erstmals olivfarbene T-Shirts unter ihrer Tarnausrüstung tragen. Das ist die einzige Anerkennung, die sie von ihren Ausbildern erhalten, doch die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern

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