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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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rücksichtsvoll und vorsichtig wie möglich durchführten, brachte auch keine Erkenntnisse.

    Jetzt saßen sie schon zwei Tage im Auto und observierten das Haus in der Brandenburgischen Straße - soweit man davon überhaupt sprechen konnte, denn obwohl sich Rösen und Daut abwechselten, blieb das Gebäude doch immer noch für einige Stunden unbewacht. Daut ärgerte sich über dieses unprofessionelle Verhalten. Aber was sollten sie machen, sie waren nur zu zweit, und vierundzwanzig Stunden schafften sie nicht lückenlos. Dabei war die Künstleragentur Meyer ihre einzige Chance, in dem Fall überhaupt noch weiterzukommen. Sie mussten herausfinden, wer diese Inge Wilhelmi war, an die der Brief in Dora Zeggs Manteltasche adressiert war. Die Künstleragentur war allerdings auch so eine merkwürdige Angelegenheit. Sie schien nicht zu existieren. Es gab keinen Eintrag beim Gewerbeamt, auch sonst keine Unterlagen, es existierte nicht einmal ein Telefonanschluss unter diesem Namen. Geisterhaft, wie der ganze Fall.
    Bereits am Montag hatten sie versucht, den ominösen Hans Meyer strenger ins Gebet zu nehmen. Ohne Erfolg, denn er war ausgeflogen. Seitdem herrschte Totenstille in der Wohnung.
    Daut wickelte die Schmalzstulle aus dem Brotpapier und biss hinein. Was hätte er jetzt für einen leckeren Schweinebraten seiner Mutter gegeben. Wann hatte er den zuletzt gegessen? Weihnachten, das sie wie jedes Jahr daheim verbrachten. Langsam gingen auch ihre Dauerwurst- und Schinkenvorräte zur Neige. Es wurde Zeit, dass er seine Eltern besuchte. Sie würden sich freuen, vor allem, da sein kleiner Bruder Georg seit einem halben Jahr im Feld stand. Mutter hatte ihm noch vor ein paar Tagen geschrieben, wie einsam sie sich oft fühle.
    Hoppla, was war das denn? Die Frau ging direkt auf ihn zu. Sie war Mitte zwanzig und trug ein elegantes, nachtblaues Kostüm. Auf dem Kopf saß keck eine marineblaue Kappe, die ihr blondes, in Bubikopfform frisiertes Haar regelrecht strahlen ließ. Und diese Schuhe! So etwas sah man nicht mehr oft in Berlin. Die Frauen hatten sich daran gewöhnt, in bequemen Tretern zu gehen, damit ihnen die Füße nach dem stundenlangen Schlangestehen für ein bisschen Frischgemüse nicht so schmerzten. Diese Frau konnte sich Daut absolut nicht in einer Reihe mit kopftuchtragenden Muttchen vorstellen. Klack, klack, klack machten die Absätze auf dem Pflaster, als sie am Wagen vorbeistolzierte und direkt auf das Haus Nummer 13 zusteuerte. Daut stieg aus dem Auto und ging hinter ihr her. Sie stieg behände die Stufen hinauf. Er konnte ihr nicht folgen, hörte aber auch so, wie sie im obersten Stock erfolglos an die Tür klopfte. »Machen Sie schon auf, Meyer. Sie müssen doch da sein. Sie können mich doch jetzt nicht hängenlassen.«
    Daut erreichte außer Atem den letzten Treppenabsatz.
    »Wer kann Sie nicht hängenlassen?«
    »Was zum Teufel geht Sie das an?«
    Daut zog seinen Ausweis.
    »Gestatten, dass ich mich vorstelle: Hauptsturmführer Axel Daut, Kriminalpolizei Berlin.«
    Er benutzte bewusst seinen SS-Dienstrang. Wenn die Frau vor ihm das war, was er vermutete, wäre sie an den Umgang mit Polizisten gewohnt. Ein SS-Offizier würde ihr mehr Respekt abnötigen. Die Dame riss den Arm zum Hitlergruß nach oben.
    »Heil Hitler, Herr Hauptsturmführer. Ich möchte zu Herrn Meyer. Er ist mein Agent. Ich bin Schauspielerin, müssen Sie wissen.«
    Dabei senkte sie den Kopf ein paar Zentimeter und bedachte ihn mit einem gekonnten Augenaufschlag, der in groteskem Gegensatz zum immer noch erhobenen Arm stand.
    »So, so, Schauspielerin. In welcher Rolle kann man Sie denn bewundern, Frau ...?«
    »Fräulein.«
    Wieder dieser Augenaufschlag.
    »Fräulein Emma Gutjahr. Leider bin ich im Moment ohne Engagement, deshalb besuche ich ja Herrn Meyer.«
    »Dann wollen wir doch mal sehen, wie gut Sie sind, Fräulein. Ihre Bühne für die nächsten Stunden befindet sich am Werderschen Markt.«

Elf

    »Später, mein Großer! Später!«
    Normalerweise hätte Luise brennend interessiert, was Walter ihr so dringend zeigen wollte. Heute aber brauchte sie erst einmal Ruhe. Sie ging schnurstracks ins Schlafzimmer, zog die Schuhe aus und ließ sich aufs Bett fallen. Kaum eine Minute später kam Ilse herein.
    »Was ist los, Mama? Ist dir nicht gut? Liegt es am Baby? Strampelt es so sehr? Darf ich mal fühlen?«
    Ilse war ungeheuer aufgeregt, weil sie ein Geschwisterchen bekommen würde. Walter nahm es gelassener, er war zu groß, um noch seine

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