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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Aufgaben vor uns haben. Und ab heute wird es Tag für Tag schwieriger sein, sie zu erledigen. Unsere Kontaktleute verlassen die Stadt, und die Jagd auf uns beginnt. Es gibt Gerüchte aus der Abwehr, dass sie einer ‹Roten Kapelle› auf der Spur sind. Was glaubt ihr, wer damit gemeint ist?«
    Schweigend blickte er in die Runde. Niemand sagte ein Wort, nur Gustav Neeb nickte langsam mit dem Kopf. Luise schaute zu Harro auf, der in seiner Uniform wie aus dem Ei gepellt aussah. Ihr kam die Geste feierlich vor, mit der er ein Schriftstück aus der Tasche zog.
    »Aber jetzt erst einmal etwas anderes. Ich habe hier einen Befehl, den ich euch gerne vorlesen möchte. Offiziell gibt es ihn nicht, er wurde nur mündlich an alle Kommandeure im Osten erteilt. Ein guter Freund hat mir eine der wenigen Abschriften zugespielt.«
    Er hielt das Schriftstück in die Höhe. Luise erkannte den Adler mit dem Hakenkreuz. Die Seite war eng mit Schreibmaschine beschrieben. Schulze-Boysen drehte das Schriftstück, sodass alle im Raum es sehen konnten. Umständlich nestelte er eine Brille aus der Brusttasche und setzte sie auf.
    »Der offizielle Titel lautet Richtlinien für die Behandlung politischer Kommissare im Gebiet Barbarossa . Ich lese euch nicht alles vor, sondern nur die wichtigsten Passagen.«
    Er schaute sich um, als wolle er sich der Zustimmung der Anwesenden versichern, eher er mit seltsam tonloser, kalter Stimme vorlas.
    Im Kampf gegen den Bolschewismus ist mit einem Verhalten des Feindes nach den Grundsätzen der Menschlichkeit oder des Völkerrechts nicht zu rechnen. Insbesondere ist von den politischen Kommissaren aller Art als den eigentlichen Trägern des Widerstandes eine hasserfüllte, grausame und unmenschliche Behandlung unserer Gefangenen zu erwarten.
    Die Truppe muss sich bewusst sein:
    1. In diesem Kampf sind Schonung und völkerrechtliche Rücksichtnahme diesen Elementen gegenüber falsch. Sie sind eine Gefahr für die eigene Sicherheit und die schnelle Befriedung der eroberten Gebiete.
    2. Die Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden sind die politischen Kommissare. Gegen diese muss daher sofort und ohne Weiteres mit aller Schärfe vorgegangen werden.«
    Er machte eine Pause und holte tief Luft, eher er den nächsten Satz scharf und laut vortrug:
    «Sie sind daher, wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen.«
    Harro blickte über den Brillenrand, als erwarte er Kommentare oder Fragen, denen er aber zuvorkam.
    »Wartet, das ist noch nicht alles. Ich überspringe jetzt einige Absätze mit Erläuterungen zum Operationsgebiet. Danach steht hier wörtlich:
    Politische Kommissare als Organe der feindlichen Truppe werden nicht als Soldaten anerkannt; der für die Kriegsgefangenen völkerrechtlich geltende Schutz findet auf sie keine Anwendung. Sie sind nach durchgeführter Absonderung zu erledigen.
    Kommissare, die im rückwärtigen Heeresgebiet wegen zweifelhaften Verhaltens ergriffen werden, sind an die Einsatzgruppe bzw. Einsatzkommandos der Sicherheitspolizei abzugeben.«
    Werner, der Ringer, sprang auf:
    »Sie werden also Tausende Polizisten einsetzen, um unsere Genossen zu ermorden!«
    Sein Gesicht war vor Wut und Zorn rot entflammt, und er ballte seine gewaltigen Fäuste. Dabei spannte sich sein Bizeps deutlich unter dem Hemd.
    Harro, der sich langsam setzte, nickte ihm zu:
    »So ist es Werner. Sie werden sie töten. Ohne Gerichtsverfahren, ohne Urteil. Gegen das Kriegs- und Völkerrecht. Aber nicht nur die Genossen. Es gibt eine Weisung Heydrichs an die Einsatzgruppen, neben den kommunistischen Führern auch alle Juden zu ermorden. Ich weiß das aus sicherer Quelle, allerdings gibt es diese Weisung nicht schriftlich, davor schrecken sie noch zurück.«
    Luise war wie betäubt und zugleich fortgerissen von einem Strudel von Gefühlen. Sie war sich nicht sicher, ob sie alles, was dieser Harro vorgelesen hatte, verstanden hatte. Doch was sie begriffen hatte, raubte ihr fast den Verstand. Es war nichts anderes als ein Befehl zum Mord. Sie drehte sich zu Gustav Neeb um. Sie musste etwas sagen, brachte aber nur ein Flüstern zustande:
    »Aber dagegen muss man doch etwas tun!«
    Gustav berührte ihre Hand.
    »Wir können nichts tun, Luise. Sie haben es in Polen genauso gemacht.«
    Libertas mischte sich ein:
    »Genau so ist es. In Russland wird das Gleiche geschehen wie in Polen. Die Einsatzgruppen - und die bestehen fast ausschließlich aus normalen Beamten von

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