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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Abends. Daut wandte sich nach rechts Richtung Kolonnenstraße und blickte hinauf zu seiner Wohnung. Ilse schaute aus dem Küchenfenster und winkte ihm zu. Er tippte sich zum Gruß an die Hutkrempe und sah, wie seine Tochter lächelnd die Gardine zuzog. Die Wohnung in der Sedanstraße hatte man ihm zusammen mit seinem Dienstvertrag angeboten. Er kannte sich in Berlin nicht aus, also war ihm das nur recht. Im Grunde war das Sedanviertel ja auch angenehm. Daut bog in die Kolonnenstraße ein. Hier war kaum Verkehr, auch Fußgänger gingen nur vereinzelt ihrer Wege. Das war in den ersten Jahren anders gewesen. Geschäft reihte sich an Geschäft, und die Bewohner des Viertels erledigten hier ihre Einkäufe. Einige Läden hatten geschlossen, und in den verbliebenen war das Angebot eher mager. Auf der anderen Straßenseite starrten ihn die verrammelten und mit Parolen beschmierten Schaufenster des ehemaligen Kaufhauses Lesser an. Daut fror und beschleunigte seine Schritte. Er bog nach rechts in die Gustav-Müller-Straße. So schnell wie möglich nach Hause. Als er die Köingin-Luise-Gedächtniskirche passierte, schaute er nach oben. Der Gasometer, angeblich einer der größten Gasbehälter der Welt, überragte das Häusermeer. Luise hatte sich am Anfang vor diesem Ungetüm gefürchtet.
    »Stell dir vor, Axel, wenn das Ding in die Luft fliegt. Schließlich ist er doch voller Gas.«
    Er hatte sie beruhigt. Seit Kriegsbeginn schaute er selbst skeptisch hinauf. Nicht auszudenken, wenn die Engländer eine Bombe auf das Ding warfen. Noch ein Grund mehr, hier wegzuziehen. Außerdem hörte man oft Gerüchte, wonach ohnehin bald alles plattgewalzt würde. Das Sedanviertel war in den Plänen für die »Welthauptstadt Germania« für andere Zwecke vorgesehen. Daut hatte das zunächst für Unfug gehalten. Die Häuser waren doch noch in gutem Zustand, auch wenn im Inneren manche Renovierung notwendig war. Aber einfach abreißen? So verrückt konnte doch niemand sein! Seit einiger Zeit war er sich da nicht mehr so sicher. Vor ein paar Wochen hatten Bauarbeiter begonnen, einen riesigen Betonklotz nahe der Kolonnenbrücke zu errichten. Angeblich sollte mit diesem tonnenschweren Ungetüm die Belastbarkeit des Bodens getestet werden. Die Nord-Süd-Achse der Hauptstadt sollte ausgerechnet durch das Sedanviertel führen, und dort, wo dieser Klotz stand, würde sich in ein paar Jahren ein gewaltiger Triumphbogen erheben. War das ausgeschlossen? Die Ost-West-Achse war schließlich auch gebaut worden.
    Am Leuthener Platz stand eine Gruppe von Frauen vor einem kleinen Ladenlokal, das sich auf einem verwitterten Schild über der Eingangstür großspurig als Kolonial- und Delicatessengeschäft bezeichnete. Davon konnte bei der kargen Auslage nicht mehr die Rede sein. Daut schnappte ein paar Wortfetzen der Unterhaltung auf. »Russland«, »nie gedacht«, »jetzt wird der Krieg noch lange dauern«. Ob Hitler und seine Gefolgsleute mit dieser Skepsis der Menschen rechneten? Begeisterung sah anders aus. Aber dieser Krieg hatte von Anfang an keine jubelnden Massen gekannt wie 1914. Obwohl bis jetzt doch alles wie am Schnürchen geklappt hatte. Im Westen hatte man den alten Erbfeind Frankreich in die Knie gezwungen, und bisher hatte man sich auch die Engländer weitgehend vom Hals gehalten. Im Süden gab es ein paar Probleme, doch die waren lösbar. Jetzt aber Russland. Daut schlug die Arme um den Körper. Er war froh, als er wieder vor seinem Haus stand, rannte fast die Treppe hinauf und stürmte direkt in die Küche. Er brauchte etwas Warmes, und auf dem Herd fand sich meist eine Kanne Blümchenkaffee. Luise stand am Herd und hantierte mit einer Pfanne.
    »Ach, sieht man dich auch mal wieder in der Küche.«
    Daut ärgert sich über die Verbitterung, die aus seinen Worten sprach. Er hatte kein Recht dazu. Wann hatte er sich zuletzt um seine Frau gekümmert? Sie war schwanger und er kaum zu Hause. Er machte einen Schritt auf sie zu, doch Luise drehte sich wortlos um und ging an ihm vorbei ins Kinderzimmer.
    »Walter, Ilse, ihr geht jetzt nach draußen zum Spielen. Ihr braucht dringend frische Luft.«
    Nach kurzem Maulen fügten sich die beiden der mütterlichen Anordnung. Daut hörte, wie sie kichernd auf dem Treppengeländer nach unten rutschten.
    Luise ging an den Herd und goss sich eine Tasse Gerstenkaffee ein. Sie hielt fragend die Kanne hoch, doch Daut schüttelte den Kopf. Ihm war auch so heiß geworden.
    »Tut mir leid, dass kein Essen auf dem

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