Codewort Rothenburg
Sicherheitsgründen.«
Sechzehn
Rösen las Zeitung und trank Muckefuck, als Daut das Büro betrat. Ohne aufzusehen, sagte er:
»Während ich im Archiv rumkrame, brauchte der Herr Kommissar wohl ein bisschen frische Luft, was? Oder gab es bei Aschinger was Leckeres zu essen? Ach ja, ich vergaß, der Herr geht ja nicht auswärts speisen.«
»Quatsch nicht rum«, sagte Daut und griff sich die Packung Nil, die auf dem Tisch lag.
»Bitte bedien dich«, schnauzte Rösen.
»Danke.«
Daut bemühte sich um einen versöhnlichen Ton.
»Du glaubst nicht, wo ich gerade war.«
Er nahm einen Zug und fuhr fort, ohne auf die Antwort des Kollegen zu warten. »Bei der Auslandsabwehr.«
Er schob Rösen den Zettel mit der Nachricht von Schwarz zu. Nachdem er das Gespräch in der Meineckestraße rekapituliert hatte, nahm sich auch Rösen eine Zigarette.
»Wenn du es mir nicht erzählen würdest, ich hielte es für einen Witz. Die Auslandsabwehr hat wahrlich andere Probleme, als sich um eine ermordete Prostituierte zu kümmern.«
»Umso mysteriöser ist das Ganze.«
»Und es wird noch rätselhafter.«
Rösen machte eine Kunstpause, um die Spannung zu erhöhen. Insgeheim ärgerte er sich, dass Daut ihm mit seinem Erlebnis beim SD die Schau stahl.
»Es gibt nämlich nichts über diese Pension Schmidt. Und wenn ich nichts sage, meine ich nichts! Die Sitte hat keine Unterlagen. Es gibt unzählige Bordelle in Berlin, man glaubt es nicht, aber offiziell gibt es keinen Laden namens ‹Pension Schmidt›. Alle Etablissements werden von den Kollegen genauestens überwacht, und die Gesundheitsbehörden führen regelmäßige Kontrollen durch. Aber wie gesagt: Pension Schmidt - Fehlanzeige. Auch nichts über Kitty Schmidt. Ich habe sie nur im Personenstandsregister gefunden. Weißt du, wie alt die Dame ist?«
Rösen blies Daut Rauch ins Gesicht und wartete, bis dieser mit dem Kopf schüttelte.
»Sie kam 1882 auf diese aus den Fugen geratene Welt.«
Daut stieß einen anerkennenden Pfiff aus. Die Dame ging also stramm auf die sechzig zu, und er hatte sie auf Mitte vierzig geschätzt.
»Unglaublich, oder?«, setzte Rösen seinen Redeschwall fort. »An regelmäßigem Champagnerkonsum schon am Vormittag muss also was dran sein.«
Er drückte seine Zigarette aus.
»Als ordentlicher Polizist bin ich dann noch mal ins Archiv. Und siehe da, eine Kleinigkeit gibt es doch. Gegen unsere saubere Frau Schmidt wurde bereits ermittelt. Die Akte gibt es zwar nicht mehr, aber ein altgedienter Kollege, der jetzt sein Dasein da unten im Keller fristet, konnte sich erinnern, als er das Foto sah. Na ja, die Frau hinterlässt eben bleibende Eindrücke. Sie hat damals versucht, Geld ins Ausland zu schaffen und sich abzusetzen. Er meinte, die Ermittlungen seien auf Weisung von ganz oben eingestellt worden. Da hält jemand die Hand über die feine Dame.«
Rösen wartete einen Moment, ehe er triumphierend hinzusetzte:
»Und jetzt kommst du!«
Daut grinste ihn an. Er hatte ja auch noch eine Überraschung in der Hinterhand und erzählte von seinem Besuch im Postamt und den vielen Adressatinnen, die ihre Briefe über die Agentur Meyer erhielten. Er zog die zusammengefaltete Liste aus der Jackentasche und legte sie auf den Schreibtisch. Mit der in einem weinroten Nappalederhandschuh steckenden Prothese tippte er auf den siebten Namen: »Inge Wilhelmi«.
Rösen nickte anerkennend mit dem Kopf.
»Na sieh mal einer an, da hat uns der feine Herr Meyer belogen. Dumm nur, dass er seit Tagen nicht mehr aufgetaucht ist. Ich würde ihn zu gerne mit diesem Dokument konfrontieren.«
»Da wäre ich gerne dabei. Andererseits sollten wir vorsichtig sein, Ernst. Es kommt mir vor, als hätten wir in ein Wespennest gestoßen.«
»Lass uns Feierabend machen, Axel. Wie wäre es noch mit einem Bierchen?«
»Meinetwegen. Aber nicht wieder ins Rübezahl. Ich kann diesen schlesischen Dialekt nicht mehr hören. Ich habe ihn ja schon den ganzen Tag in den Ohren.«
Siebzehn
»Aufwachen, Papa! Aufwachen!«
Walter rüttelte an Dauts Schultern. Er blinzelte mit einem Auge, schloss es aber sofort wieder. Es war spät geworden, gestern beim Aschinger.
Als er mit Rösen den Gastraum betrat, herrschte eine gute Stimmung. Sie suchten sich ein Plätzchen im hinteren Teil und redeten und tranken. Auf einmal klang ein Lied herüber. Ein paar Soldaten auf Fronturlaub hatten die Theke okkupiert und tranken Molle auf Molle. Einer aus der Gruppe setzte sich ans Klavier. Es folgte ein
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