Codewort Rothenburg
Unterschied zum Wacholderschnaps seines Vaters. Schellenberg ließ das Getränk mit geschlossenen Augen im Mund kreisen, eher er das Gespräch eröffnete, das Daut sofort wie ein Verhör vorkam.
»Der Untersturmführer hat mir berichtet, Sie hätten einen Mord zu klären, der in irgendeinem Zusammenhang mit der Pension Schmidt steht?«
War das jetzt eine Frage oder eine Feststellung? Daut entschied sich für Letzteres und schwieg. Schellenberg hatte auch mit keiner Antwort gerechnet, denn er fuhr unmittelbar fort.
»Die Pension Schmidt - oder soll ich besser sagen, der Salon Kitty - ist für uns von besonderem Interesse. Wir stehen in der wichtigsten Schlacht, die jemals in Europa ausgefochten wurde. In den nächsten Monaten, vielleicht schon in den nächsten Wochen wird sich zeigen, ob wir diesen alten Kontinent vom Joch des Bolschewismus befreien können oder ob die jüdische Weltverschwörung endgültig obsiegt. Sie werden verstehen, dass wir in einer solchen Situation zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen müssen. Schwarz, skizzieren Sie dem Hauptsturmführer doch bitte, welche Aufgabe dem Salon Kitty in diesem Zusammenhang zufällt.«
Schellenberg beugte sich nach rechts und nahm eine Zigarre aus einem Kupferkästchen. Er nestelte die Bauchbinde herunter und griff gleichzeitig zu einem Feuerzeug, während sich Schwarz in Positur warf.
»In der Reichshauptstadt halten sich naturgemäß viele Vertreter befreundeter Nationen auf, deren Zuverlässigkeit wir nicht immer einschätzen können. Es ist unsere Pflicht, sie einer Überprüfung zu unterziehen. Dazu haben wir zwanzig erstklassige, über jeden Zweifel erhabene Frauen ausgebildet. Alle zwanzig sind Mitglieder der SS. Alle zwanzig arbeiten nur scheinbar als Dirnen in dem Etablissement der Frau Schmidt. Sie sind Agentinnen, dazu ausgebildet, eine, wie soll ich sagen, entspannte Situation zu schaffen, in der die Zunge locker wird. Über alles, was sie erfahren, fertigen sie umgehend ein Protokoll an.«
Schellenberg hatte die Zigarre in Brand gesetzt und stieß genüsslich Rauchwolken aus. Vorsichtig blies er die Glut noch ein bisschen an, eher er Daut anblickte.
»Und sie erfahren so einiges.«
Dabei schlug er sich mit der linken Hand auf den Schenkel. Daut war sich sicher, dass die Idee für ein Bordell voller Agentinnen vom Brigadeführer selbst stammte. Es blitzte so etwas wie Vaterstolz in seinen Augen auf. Der Kommissar setzte sein Glas vorsichtig ab, eher er das Wort ergriff:
»Gibt es auch ein Protokoll von Dora Zegg über ihren letzten Einsatz?«
Er hatte die Frage an Schellenberg gerichtet, doch Schwarz antwortete.
»Leider ist sie dazu nicht mehr gekommen. Aber wir wissen, wer ihr letzter Gast war. Ein Deserteur namens ...« Der Untersturmführer nahm einen Aktendeckel vom Tisch, schlug ihn auf und warf einen flüchtigen Blick hinein.
»Hier haben wir es ja. Dora Zeggs letzter Kunde war ein Leutnant Albert Just.«
Er warf die Mappe auf den Tisch. Daut konnte einen kurzen Blick auf den Personalbogen erhaschen, bevor Schwarz sie geräuschvoll zuschlug. Das Übliche: Passbild, Name, persönliche Daten. Sonst nichts. Schellenberg beugte sich vor und nahm das Glas in die Hand, die auch die Zigarre hielt. Bevor er trank, wandte er sich an Daut:
»Der Mann war ein feiger Deserteur. Wir fahnden nach ihm, und er wird seiner gerechten Strafe nicht entgehen. Darum brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Zwei Mal hängen kann man ihn ja nicht!«
Als hätte er einen guten Scherz gemacht, zwinkerte der Brigadeführer dem Kommissar zu, leerte mit einem gewaltigen Schluck das Glas und stand auf. Die Sache war für ihn erledigt. Unmilitärisch reichte er Daut die Hand.
»Sie leisten gute Arbeit, Hauptsturmführer. Machen Sie weiter so! Solche Leute wie Sie brauchen wir.«
Warum empfand Daut dieses Lob eher als Drohung? Er schlug die Hacken zusammen und hob, nachdem Schellenberg sie losgelassen hatte, seine rechte Hand.
»Danke! Heil Hitler, Brigadeführer.«
Der Angesprochene drehte sich mitten in den Gruß hinein um und ging in Richtung der Fenster.
Erneut legte Schwarz eine Hand zwischen Dauts Schulterblätter und beließ sie dort, bis sie das Büro verlassen hatten. Das Vorzimmer war leer, vielleicht puderte sich die Sekretärin die Nase. Daut entwand sich der Berührung, indem er sich ruckartig zu Schwarz umdrehte.
»Wie steckt denn diese Kitty Schmidt in der Sache mit drin?«
Schwarz lächelte ihn an.
»Sie können es einfach nicht lassen,
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