Codewort Rothenburg
Frage ja durchgesetzt«, brummte Daut zur Antwort.
»Soll das ein Kompliment sein, Inspektor?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, holte Kitty Schmidt ein Päckchen Nil-Zigaretten und eine elfenbeinerne Zigarettenspitze aus der Handtasche, die zu ihren Füßen stand. Sie steckte den Glimmstängel auf die Spitze und blickte Daut auffordernd an.
»Rauchen verboten!«
Rösen mischte sich rasch ein, bevor Daut die Hutschnur platzte. Die Schmidt verzog ihre hellrot geschminkten Lippen zu einem Schmollmund, legte die Zigarette jedoch auf den Tisch.
»Kommen wir am besten gleich zur Sache«, sagte Daut, sichtlich darum bemüht, die eigene Ruhe wiederzufinden.
»Wir brauchen eine Liste mit Namen und Adressen Ihrer Mädchen. Sämtlicher, versteht sich.«
Er legte einen Block und einen Bleistift auf den Tisch.
»Am besten fangen Sie sofort an, wir haben nicht viel Zeit.«
Kitty Schmidt lächelte Daut an, dem für einen Augenblick ein warmes Kribbeln über den Rücken lief.
»Meine Herren, wenn Sie keine Zeit haben, sollten Sie sie nicht mit solchen Spielchen vergeuden. Sie wissen doch, Diskretion ist die Seele meines Geschäfts. Meine Mädchen kommen zum Teil aus besten Verhältnissen. Nicht auszudenken, wenn bekannt wird, womit sie sich ein paar Mark zu den kargen Beamtengehältern ihrer Gatten hinzuverdienen.«
Während sie sprach, ließ sie den Blick nicht von Daut, der sich mit einer ruckartigen Bewegung aus ihrer optischen Umklammerung löste. Er nahm den Block vom Tisch und blätterte um, bis er eine eng beschriebene Seite erreicht hatte. Mit der in einen hellbraunen Krokodillederhandschuh gekleideten Prothese tippte er auf das Blatt.
»Nun gut, Frau Schmidt, Sie brauchen nichts aufzuschreiben. Sagen Sie mir einfach, ob das hier Ihre Mädchen sind.«
Als er Rösens fragenden Blick sah, fügte er hinzu:
»Das ist die Liste der Adressatinnen, die ihre Post in die Künstleragentur Meyer geschickt bekommen. Die kennen Sie doch, oder?«
Kitty Schmidt starrte auf das vor ihr liegende Blatt Papier. Mit der rechten Hand überprüfte sie scheinbar den Sitz ihres Hutes. Volltreffer, dachte Daut.
»Ich kenne keinen dieser Namen, Herr Inspektor. Wie kommen Sie darauf, das seien meine Mädchen?«
Daut registrierte, dass ihre Unterlippe zitterte. Er würde diese Frau weichkochen. Dafür brauchte er höchstens eine halbe Stunde. Als er Rösen unter einem Vorwand aus dem Raum schicken wollte, wurde die Tür aufgerissen. Rudat stürmte mit polternden Schritten ins Zimmer.
»Ich übernehme die Befragung dieser Zeugin. Sie werden in der Wilhelmstraße erwartet.«
Als Daut nicht sofort reagierte, sondern ihn nur fragend anschaute, schnauzte er ihn an:
»Machen Sie schon, Mann. Der Brigadeführer wartet nicht gerne!«
Zweiundzwanzig
Warum spreizte sie den kleinen Finger der rechten Hand so weit ab? Es sah affektiert aus, wie sie da auf der Adler herumhackte. Sie malträtierte sie geradezu. Kam sie an das Ende einer Zeile, schnarrte etwas, das früher einmal glockenhell geläutet hatte, und sie riss den Wagen an dem langen, silbernen Hebel so kraftvoll zurück, dass die Schreibmaschine einen Zentimeter nach links rückte. In einer Stunde würde sie den Rand des Schreibtischs erreicht haben. Daut lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück und blickte auf die Schuhe der Sekretärin, die gebeugt, als wäre es eine körperliche Anstrengung, an einem Schriftstück mit vier Durchschlägen arbeitete. Pumps mit einem mindestens fünf Zentimeter hohen Absatz. Leider konnte er die Beine nicht sehen, die von der weit heruntergezogenen Schreibtischkante verdeckt wurden. Vom sichtbaren Oberkörper der Dame schloss er auf schlanke Fesseln, gut ausgebildete Waden und lange, sanft geschwungene Oberschenkel.
»Verdammt!« Sie biss sich auf die Unterlippe, als sie die Rückstelltaste drückte, um einen Tippfehler zu beseitigen. Ein winziger roter Lippenstiftfleck blieb an ihrem rechten Schneidezahn zurück. Daut überlegte, ob er sie auf diesen einzigen Makel ihrer ansonsten perfekten Erscheinung hinweisen sollte, unterließ es aber. Stattdessen musterte er den Raum, der größer war als das Büro des Kriminaldirektors und doch nur das Vorzimmer des Brigadeführers. Was heißt hier nur! Walter Schellenberg war eine Legende, obwohl er erst dreißig Jahre jung war. Daut konnte sich immer noch nicht vorstellen, dass dieser Mann ihn sprechen wollte. Aber die immer noch verbissen ihre Schreibmaschine bearbeitende Wasserstoffblondine hatte, als er
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