Codewort Rothenburg
er sich umfassend auch über das Privatleben einer Zielperson informiert hatte.
»Dauts Frau erwartet das dritte Kind. Sie brauchen unbedingt eine größere Wohnung, und ein bisschen mehr Geld würde auch nicht schaden.«
Schellenberg nickte anerkennend.
»Wohnungen werden in Kürze genug frei. Besorgen Sie ihm eine in einer schönen Gegend. In Charlottenburg zum Beispiel, da wohnt doch viel von diesem Judengesocks. Aber sicherheitshalber sollte er in Kürze auch noch für eine Weile aus der Stadt verschwinden.« Schellenberg leerte wie zuvor das Glas mit einem Schluck und erhob sich.
»Wir brauchen gute Leute im Osten. Das wäre doch etwas für diesen Daut, was meinen Sie, Schwarz?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich Schellenberg um.
Schwarz sprang auf und salutierte.
»Jawohl, Herr Brigadeführer. Glänzende Idee.«
Vierundzwanzig
»Und?«
Rösen war die Neugier an der Nasenspitze abzulesen. Daut winkte lässig ab. Er wollte die sichtbare Bewunderung seines Kollegen noch ein bisschen länger auskosten.
»Erst bist du dran. Was ist mit der Schmidt?«
Rösen verzog verärgert den Mund.
»Was sollte mit ihr sein? Rudat hat sie sofort entlassen. Der hat geradezu Bücklinge vor ihr gemacht und sich fortwährend für die Behandlung entschuldigt. Aber nun sag schon: Was ist dieser Schellenberg für ein Typ?«
Daut lachte in sich hinein. Rösen war wahrlich kein Hundertprozentiger, doch er las gerne Spionagegeschichten, und der Coup in Venlo, das war schon was. Da konnte man schon mal vergessen, dass Schellenbergs Karriere mit Sicherheit nicht auf kritischer Betrachtung der gegenwärtigen Zustände beruhte. Soll er ruhig noch ein bisschen schmoren.
»Und sonst? Nichts Neues?«
Blöde Frage, was sollte es schon Interessantes geben. Aber Rösen überraschte ihn.
»Und ob!«
Er blickte seinen Chef strahlend an und schwieg. Als wolle er sagen: Was du kannst, das kann ich schon lange.
»Kann ja nicht so wichtig sein, wenn du nicht sofort damit rausplatzt. Kannst ja sonst nichts für dich behalten.«
Rösen überhörte die Beleidigung, denn er war zu stolz auf seine Spürnase, die ihn auf die richtige Fährte gebracht hatte. Die Sache mit dem Champagner hatte ihm keine Ruhe gelassen. Gut, wenn man Beziehungen hatte.
»Habe ich schon mal erzählt, dass mein Bruder bei Kempinski arbeitet?«
Daut schüttelte den Kopf.
»Bisher wusste ich nicht mal, dass du überhaupt einen Bruder hast. Meinst du das Restaurant Kempinski auf dem Kurfürstendamm?«
»Genau. Ich habe meinen Bruder gefragt, wo man heute noch erstklassigen Champagner bekommt, und dabei auch die Pension Schmidt erwähnt. Da legte er gleich los: Ich sei ja ein schlimmer Finger, und wie ich mir von meinem schmalen Gehalt ein so feines Bordell leisten könne!«
Rösen lachte auf.
»Mein Ansehen in der Familie dürfte seinen Tiefpunkt erreicht haben. Aber was soll’s. Wie heißt es so schön: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s herrlich ungeniert.«
Rösen wartete auf eine Reaktion Dauts. Als sie ausblieb, fuhr er fort:
»Mein Bruder kannte den Laden genau, die Pension Schmidt meine ich. Sie liefern jeden Abend ein Buffet dorthin. Alles nur vom Feinsten einschließlich Unmengen von Kaviar. Die Rechnungen entsprächen allerdings eher einer kleinen Konfirmationsfeier. Anweisung von oben! Für die Getränke wäre Kempinski nicht zuständig. Die kämen direkt aus den Kellern von Henkell & Söhnlein, und das passt ja auch.«
Daut hatte keine Ahnung, worauf Rösen hinaus wollte, und schaute ihn fragend an.
»Mensch, Axel, du bist aber auch hinter dem Mond. Mit wem ist denn die Tochter von diesem Sektfritzen verheiratet? Na?«
Daut zuckte mit den Schultern.
»Anneliese Henkell ist die Frau von Joachim von Ribbentrop.«
Rösen blickte seinen Chef strahlend an, der nachdenklich nickte. Ja, das passte in der Tat! Wenn ausländische Diplomaten im Bordell überwacht wurden, hatte der Außenminister natürlich ein Interesse an den Ergebnissen. Rösen allerdings war auf diese Idee noch nicht gekommen. Wie sollte er auch! Er zog ein anderes Resümee aus seinen Nachforschungen.
»Wenn einer über Beziehungen verfügt, dann Ribbentrop. Zumindest wird ein großer Teil der in den Chateaus der Champagne konfiszierten Flaschen in den Lagerkellern unseres obersten Sektproduzenten gelandet sein.«
Erneut erstaunte es Daut, über welches Vokabular Rösen im Zusammenhang mit Sekt und Wein verfügte.
»Gute Arbeit! Nur - sie bringt nichts mehr. Der
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