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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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unterirdischen Bahnanlagen wird ab sofort eingestellt.« Waren die da oben verrückt geworden? Steckte eine höhere Stelle dahinter? Das Propagandaministerium? Wilde Spekulationen und Getuschel auf den Gängen und in den Büros. Stellten sie die Suche ein? Nein, das konnte nicht sein! Sie wollten ihn in Sicherheit wiegen. Jawohl, so war es! Er sollte denken, sie kümmerten sich nicht mehr um ihn. Vielleicht kam er dann aus der Deckung. Es war ein riskantes Spiel, das einer weiteren Frau das Leben kosten konnte. Aber sie hatten keine Wahl.
    Daut war diese Entwicklung nur recht. Solange die S-Bahn-Morde offiziell auf kleiner Flamme gekocht wurden, zog man sie nicht von ihrem Fall ab. Andererseits war Rudats Geduld begrenzt. Wenn sie keine Ergebnisse lieferten, würde er sie über kurz oder lang anweisen, die Akte zu schließen.
    Rösen kam aus dem Nachbarbüro und schüttelte den Kopf. »Was es für Spinner gibt. Der Bellmann glaubt, Hitler höchstselbst hätte den Befehl gegeben, die Fahndung einzustellen.«
    Er senkte das Kinn auf die Brust, und Daut ahnte, was kam. Schon häufig hatte er sein Imitationstalent vorgeführt. Auf Festen oder im Rübezahl mit unverfänglichen Parodien auf Willi Birgel oder Hans Moser. Nur unter vier vertrauten Augen bewies er, wie gut er die schnarrende Stimme des Führers nachahmen konnte.
    »Angesichts der ungeheuerlichen Aufgabe, der sich unsere Soldaten im Osten gegenübersehen, halte ich es für meine Pflicht, die sinnlose und kräftezehrende Suche nach diesem S-Bahn-Phantom einzustellen. Es werden Opfer verlangt von unserem deutschen Volk. Was zählt da der Tod einer einzigen Frau. Davon gibt es weiß Gott genug. Was wir brauchen, sind Männer!«
    Rösen hatte sich selbst übertroffen. Daut grinste und hoffte gleichzeitig, dass niemand sonst die Vorstellung mitbekommen hatte. Vor allem Rudat verstand bei so etwas keinen Spaß. Daut wollte schnell zu einem unverfänglichen Thema wechseln.
    »Ehrlich gesagt bin ich schon überrascht über diesen plötzlichen Einmarsch in Russland. Ich konnte es fast nicht glauben, als gestern die Meldung im Rundfunk kam.«
    Rösen schaute seinen Kollegen sichtlich irritiert über diesen Themenwechsel an und brauchte einen Moment, seine eigene Stimme wiederzufinden.
    »Wieso? Das war doch abzusehen. Worüber redet Hitler denn die ganze Zeit? Sein Lieblingsthema ist doch die Weltherrschaft des Bolschewismus, die zerschlagen werden muss. Und dazu noch das selbstmitleidige Geschwafel vom Volk ohne Raum. Ich habe immer damit gerechnet, dass es bald gegen Russland geht.«
    Daut mochte dem nicht zustimmen, so schlüssig Rösens Argumente auch klangen. Hatte man nicht vor ein paar Monaten noch den russischen Außenminister Molotow mit allen Ehren empfangen? In Tempelhof erklang offiziell die Internationale.
    »Das Lieblingslied aller Kommunisten - und das mitten in Berlin. Das sah doch alles andere als feindlich aus.«
    »Mensch, Axel, was du wieder redest. Die Internationale ist die Hymne der Sowjetunion, da blieb ihnen nichts anderes übrig. Du gehst denen immer noch auf den Leim.«
    Daut ärgerte sich über die belehrende Art, die der Kollege in letzter Zeit an den Tag legte. Er schien zu vergessen, wer hier der Chef war.
    »Lassen wir das! Wir haben einen Fall zu klären. Ich habe vor zwei Stunden Anweisung gegeben, die Schmidt vorführen zu lassen. Hochoffiziell mit uniformierten Beamten, die im Polizeiwagen vorfahren. Sie sollten extra die Sirene einschalten, wenn sie in die Giesebrechtstraße einbogen. Die Dame sitzt seit einer Stunde im Verhörzimmer. Ich denke, dass sie jetzt lange genug geschmort hat. Schau’n wir mal, ob sie immer noch so hochnäsig ist.«
    Rösen wunderte sich nicht, dass Daut die Ermittlungen nicht wie vom SD gewünscht eingestellt hatte. Im Gegenteil, er hatte damit gerechnet.
    Als die beiden Beamten das Verhörzimmer betraten, saß Kitty Schmidt kerzengerade, aber mit geschlossenen Augen auf dem unbequemen Holzstuhl. Sie trug einen beigefarbenen Hosenanzug und einen farblich darauf abgestimmten Herrenhut. Bevor einer der beiden auch nur ein Wort sagen konnte, schnarrte sie los, ohne die Augenlider zu heben.
    »Was fällt Ihnen ein, mich zu nachtschlafender Zeit mit Tatütata aus dem Bett zu holen? Diese ungehobelten Wachtmeister wollten mir nicht einmal die Zeit geben, mich herzurichten.«
    Sie riss die Augen auf und wandte ruckartig den Kopf.
    »Geht man so mit einer Dame um?«
    »Wie es aussieht, haben Sie sich in dieser

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