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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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Champagnerglas in einem Zug. Es klopfte erneut an der Tür, und die Bedienung brachte einen Servierwagen voller Speisen. Daut stand auf, füllte das Glas erneut und studierte das Angebot, als die Frau hereinkam, die laut »Stutenbuch« Marianne hieß. Auf dem Foto hatte sie dauergewellte, schulterlange Haare, jetzt trug sie eine modische Bubikopffrisur. Präsentierte sie sich auf dem Lichtbild fast pornografisch entblößt, trug sie nun ein atemberaubendes Abendkleid. Daut vermochte nicht zu sagen, ob Marianne ihn nackt oder derart bekleidet mehr erregte. Eins war sicher: Er hatte noch nie eine schönere Frau gesehen, geschweige denn im Arm gehalten. Bis dahin sollte es nur einige Sekunden dauern, denn die Frau warf sich rücklings aufs Bett, schleuderte die Schuhe von den Füßen und forderte Daut auf, sich neben ihn zu legen. Als er sein Gesicht auf ihren Hals presste, merkte er, wie ausgehungert er war.

    »Na, noch ein Schlückchen?«
    Marianne winkte ihm mit der leeren Flasche zu. Daut schüttelte erschöpft den Kopf. Er wollte nicht, dass sie die Bedienung rief und die Situation zerstörte. Sie legte sich zurück, kuschelte den Kopf an seine Schulter und kitzelte ihm den Bauch. Er hatte sich das Zusammensein mit einer Prostituierten anders vorgestellt. Kälter, nicht zärtlich. Mit der rechten Hand streichelte er Mariannes Brust. Er drehte den Kopf, um sie zu küssen, als im Flur lautes Geschrei begann: »Was soll das? Lass mich los! Aua! Du tust mir weh!«
    Eine Tür schlug zu, und es war wieder ruhig. Daut sah Marianne fragend an.
    »Es sind nicht alle Männer so nett wie ich, oder?«
    Die Frau in seinem Arm stöhnte leise auf.
    »Nein, das sind sie nicht.«
    Sie drehte sich zur Seite, hob ein Zigarettenpäckchen vom Boden auf und hielt es Daut hin, der schweigend ablehnte. Nachdem Marianne sich eine Zigarette angezündet hatte, flüsterte sie:
    »Du bist Polizist, ja?«
    Daut nickte.
    »Du kennst auch unseren Chef, oder?«
    »Den Schellenberg?«
    »Dann kann ich es dir ja erzählen. Das muss aber unter uns bleiben. Versprochen?«
    Statt einer Antwort zog Daut Marianne an sich heran und begann mit den Lippen an ihrem Ohrläppchen zu knabbern.
    »Das Geschrei haben wir immer, wenn der Reichsmarschall Göring im Haus ist. Er lässt sich ein Séparée mit Spiegeln vollstellen. Alle Wände, selbst an der Decke, überall Spiegel. Und er will mehrere Frauen. Mindestens drei, manchmal auch vier oder fünf. Alle müssen Uniform tragen. Bei dem ist nichts echt.«
    Daut ließ von dem Ohrläppchen ab und hielt Marianne den Mund hin, um an der Zigarette zu ziehen.
    »Wie meinst du das, bei dem ist nichts echt ?«
    »Na, die Uniformen sind es nicht - und die Potenz auch nicht. Er kann nicht ...«
    Dabei deutete sie lachend auf Dauts Penis, der sich erneut aufgerichtet hatte.
    »Und wenn es nicht klappt und der kleine Hermann nicht so will wie der große, wird der Herr Reichsmarschall wütend. Dann schlägt er um sich und verprügelt die Mädchen. Aber was will man machen.«
    Ja, dachte Axel. Was will man machen. Er nahm Marianne die Zigarette aus der Hand und drückte sie im auf dem Boden stehenden Aschenbecher aus. Rauchen konnten sie später.

Zweiunddreißig

    »Dr. med. Karl Anton - Praktischer Arzt« stand auf dem Messingschild, das dringend poliert werden sollte. Luise stand unschlüssig vor dem Eingang des Hauses, das ebenfalls einen leicht heruntergekommenen Eindruck machte. Über eine Stunde war sie kreuz und quer durch die Stadt gefahren - dabei hasste sie die U-Bahn. Sie verabscheute die Enge, vor allem jetzt gegen Ende der Schwangerschaft. Aber sie wollte sichergehen, nicht verfolgt zu werden. Dabei, wer sollte sich für sie interessieren? Sie war nur die schwangere Frau des Kriminalkommissars Axel Daut. Nicht mehr. Und was lag näher, als dass sie in ihrem Zustand einen Arzt aufsuchte, auch wenn seine Praxis an der Hindenburgstraße und damit nicht in ihrem Viertel lag. Dass sie dabei einen Persilkarton mit sich herumschleppte, wunderte auch niemanden. Schließlich waren alle ständig damit beschäftigt, irgendetwas zu besorgen. Sie drückte die schwere Holztür auf und stieg ob der Anstrengung schnaufend die Treppe hinauf. Auch das Treppenhaus hatte schon deutlich bessere Zeiten gesehen. Ein Geruch von Fäulnis lag in der Luft, und Luise spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Bitte nicht jetzt. Auf keinen Fall wollte sie hier Schwäche zeigen. Die Praxis lag im dritten Stock. Luise klopfte an die Tür und

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