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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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dem Theater traf. Nur die leicht bekleideten Frauen ließen keinen Zweifel an der Bestimmung des Ortes.
    Draußen setzte plötzlich Gerenne ein. Türen knallten, Anweisungen wurden gerufen. Kitty Schmidt streckte den Kopf durch die Tür. Sie erkannte Daut und winkte ihm kurz und wortlos zu. Sie schien zerstreut.
    Der Obersturmführer hatte inzwischen seine Hand in das Hemd der BdMlerin gesteckt, während sie an seinem Hosenschlitz zerrte.
    »Wieso gehen eure blöden Uniformen bloß so schwer auf!«
    »Halt dein Maul!«
    Der Offizier brüllte die Frau an.
    »Nichts gegen dieses Ehrenkleid. Schon gar nicht von so einem Grünschnabel wie dir. Haltung!«
    Daut hielt die Luft an, aber die Frau sprang auf und hob den rechten Arm zum Gruß, wobei sie gleichzeitig einen Knicks andeutete.
    »Heil Hitler, Kurtilein.«
    Das Kurtilein beruhigte sich, stand schnaufend auf und zog die gespielt unwillig folgende Frau schwankend zur Tür.
    »Ich denke, es ist Zeit für eine Dienststunde. Euch Mädchen muss man mal beibringen, wie ihr euch gegenüber einem deutschen Offizier zu verhalten habt.«
    Daut blätterte das Album durch. Diesmal schaute er genauer hin, als bei seinem ersten, dienstlichen Besuch. Es enthielt zwanzig Fotografien von Frauen aller Größen im Alter von achtzehn bis vierzig. Stehend, sitzend, liegend, die Beine übereinandergeschlagen oder gespreizt, das Gesicht dem Betrachter frech zugewandt oder ins Profil gedreht. Scheu oder schamlos. Unter jedem Foto standen der angebliche Name des Mädchens und eine kurze Charakterisierung. »Ist temperamentvoll und stark«, »beherrscht perfekt Französisch«, »ist ein anschmiegsames Kätzchen«, »braucht eine starke Hand«.
    Daut schaute sich eine gewisse Marianne an, als er Elses Hand auf der Schulter spürte.
    »So, das Marianderl soll es also sein. Die ist ein wilder Feger. Hoffentlich hältst du das aus, mein Süßer. Scheinst mir doch eher ein Lieber zu sein. Aber wie der Herr, so’s Gescherr. Komm, ich bring dich ins Séparée. Hier geht es gleich ein bisschen stürmisch zu.«
    Daut folgte Else über den Flur, den Blick starr auf ihren Hintern gerichtet. Am Ende des Ganges öffnete sie eine Tür und schob ihn mit den Worten »dauert höchstens fünf Minuten« hinein. Das Zimmer war fünf mal fünf Meter groß und spärlich, aber elegant möbliert. In der Mitte stand ein zwei Meter breites Bett, bedeckt mit einem dunkelroten Brokatüberwurf. Auf dem Gemälde an der dahinter liegenden Wand räkelte sich eine nackte Schwarzhaarige mit ausgebreiteten, dem Betrachter entgegengestreckten Armen. Daut fragte sich, ob der Maler diesen Blick für lüstern hielt. Wenn ja, fehlte es dem Künstler eindeutig an Klasse. Außer dem Bett befanden sich nur noch drei Möbelstücke im Raum. Ein breiter Lehnsessel aus Korb, ein Stummer Diener und eine Kommode aus Nussbaumholz. Darüber hing eine Wandleuchte, die das Zimmer in milchiges, weiches Licht tauchte.
    Daut setzte sich in den Sessel, der knarzend nachgab. Es klopfte an der Tür, und auf sein »Ja bitte!« schob eine in Serviererinnentracht züchtig gekleidete Frau einen Teewagen herein.
    »Darf es für den Herrn noch etwas sein? Marianne bevorzugt ein Damengedeck. Aber vielleicht möchten Sie noch etwas Anregenderes?«
    Sie nahm eine Zigarette aus einem Silberetui und legte sie quer über ein kleines Glas, das zur Hälfte mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit gefüllt war. Als sie Axels fragenden Blick sah, trat sie an den Korbsessel und flüsterte:
    »Sie sind zum ersten Mal hier, oder?«
    Ohne eine Reaktion abzuwarten, sprach sie weiter:
    »An Ihrer Stelle würde ich das Zeug nicht anrühren. In dem Öl ist Opium.«
    Sie trat zurück an den Teewagen und deutete an, dass sie die Zigarette in das Öl tauchte.
    Axel entschied sich, bei Champagner zu bleiben. Wer weiß, ob er jemals wieder welchen bekommen würde.
    In normalem Tonfall und Zimmerlautstärke fragte das Mädchen:
    »Möchten Sie etwas essen?«
    Auf Dauts vorsichtige Frage »Was können Sie mir denn bringen?« lächelte sie.
    »Ich lasse Ihnen ein kleines Buffet anrichten, einverstanden?«
    Axel nickte. Draußen polterten Türen, rannten Menschen von einem Raum zum anderen. Wenn die Tür zum Salon geöffnet wurde, drang für eine Sekunde ein Musikfetzen heraus. Irgendein lange nicht mehr gehörtes Couplet, dessen Inhalt Daut vergessen hatte. Wahrscheinlich verboten, dachte er. Verboten wie alles hier.
    Er legte sich der Länge nach auf das Bett und leerte das

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