Codewort Rothenburg
Verbrecherbande unternehmen willst, ist jetzt die Zeit gekommen.«
Luise nahm eines der Blätter in der Hand, als sei es kochend heiß, faltete den Zettel auseinander und las.
Einunddreißig
»Na, mein Süßer, was möchtest du denn trinken? Champagner oder etwas Härteres? Schottischen Whisky, französischen Cognac, russischen Wodka? Oder steht dir der Sinn nach etwas ganz anderem? Männer aus Rothenburg bekommen bei uns, was sie wollen. Und es macht sie noch nicht einmal arm wie alle anderen hier.«
Die Frau, die ihm ihre in einem Seidenhandschuh steckende Hand auf das Knie gelegt hatte, lachte auf. Ihre Stimme verriet reichlichen Genuss von Tabak und Whisky, und ihr Busen wogte auf und ab - von einem Seidennegligé mehr zur Schau gestellt als verhüllt. Effektvoll zur Schau gestellt, musste Daut zugeben. Aber Else, so jedenfalls hatte sie sich ihm vorgestellt, trug wenigstens überhaupt etwas am Leib. Die anderen vier Damen im Raum waren nackt. Fast jedenfalls. Eine wohl proportionierte Blondine mit kinnlangen, glatten Haaren trug Seidenstrümpfe und hochhackige Schuhe, einer brünetten Knabenhaften im offenen Männerhemd baumelte eine Krawatte zwischen ihren winzigen, nackten Brüsten hin und her. Die dritte saß auf dem Barhocker und richtete ihren kecken Hut auf dem Bubikopf, während die vierte immerhin eine mindestens fünfundzwanzig Zentimeter lange Zigarettenspitze im Mund balancierte und gleichzeitig eine Platte auf das Grammofon legte. Sie setzte den Tonarm auf, und aus dem Lautsprecher schepperte Musik. Swing. Amerikanischer, soweit Daut, der ein ausgewiesener Musikbanause war, es beurteilen konnte. Er überlegte, was er zu trinken bestellen sollte. Es war egal, bezahlen musste er nicht. Jetzt verstand er die Bedeutung des Codeworts. Die Bonzen sicherten sich eine Sonderbehandlung zum Nulltarif. Warum sollte nicht auch er davon profitieren? Er brauchte dringend ein bisschen Ablenkung und Aufheiterung. Also bestellte er Champagner. Else setzte sich rittlings auf seinen Schoß und rief über die Schulter:
»Eine Flasche Nummer eins, aber tout de suite!«
Sie nahm Dauts Gesicht in die Hand und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen. Er stellte überrascht fest, dass ihm der Mundgeruch von Alkohol und Tabak nicht unangenehm war.
»Und was können wir noch für dich tun? Möchtest du, dass ich dir das Buch hole?«
Das Buch? Daut brauchte eine Weile, bis ihm die Vernehmung von Kitty Schmidt einfiel. Else meinte den Katalog mit den Freudenmädchen! Er nickte.
Ein betrunkener Mann in SS-Uniform schubste die Krawattenträgerin vom Schoß und schrie:
»Wo sind denn heute die ganzen Bubi drück mich’s geblieben? Gibt es denn hier keine adretten, deutschen Mädels mehr? Und spielt endlich ordentliche deutsche Musik!«
»Wie es dem Herrn Obersturmführer beliebt. Deutsche Musik und deutsche Mädchen!«
Die Krawattendame salutierte und ging mit angedeutetem Stechschritt zum Grammofon. Sie wählte eine Platte aus der umfangreichen Sammlung im Schrank unter dem Plattenspieler und legte sie auf. Die Musik setzte schmetternd ein, und aus dem Lautsprecher tönte eine Stimme, die Daut lange nicht mehr gehört hatte. Claire Walldoff war nur noch selten im Rundfunk zu hören. Luise hatte ihm vor einiger Zeit erzählt, sie hätte es mit Frauen. Der Obersturmführer jedenfalls war zufrieden. Den Refrain schmettert er lautstark mit, nicht in der Originalfassung, sondern so, wie ihn der Berliner Volksmund in Anspielung auf Göring umgedichtet hatte:
»Rechts Lametta, links Lametta, und der Bauch wird immer fetta, und in Preußen ist er Meester - Hermann heeßt er!«
Er schlug im Takt mit der Faust laut krachend auf den Tisch, als die Tür aufging. Herein kam eine sicherlich schon dreißig Jahre alte Frau in reichlich derangierter BdM-Tracht und ging direkt auf den SS-Offizier zu, der sie sofort an sich drückte.
»Na endlich, wurde aber auch Zeit, dass hier Zucht und Ordnung reinkommen.«
Eine deutlich über dem Altersdurchschnitt der übrigen Damen liegende Bedienung brachte Dauts Champagner, und Else legte ihm das Album auf den Schoß.
»Lass dir Zeit, mein Lieber!«
Daut nippte am Glas und sah sich um. Trotz dicker, roter Brokatvorhänge an den Fenstern und üppig bezogener Sofas und Sessel wirkte der Raum nicht schwülstig. Ein bisschen überladen schon, aber nicht so, wie er sich einen Puff vorstellte. Eher wie ein gediegener Club, in dem man sich zu einer Partie Rommé oder einem Gespräch nach
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