Codex Mosel
halbwegs brave Bürger meldet seine Beobachtungen der Polizei, wenn er der Ansicht ist, ihr damit bei den Ermittlungen helfen zu können.«
»Ja.« Uli nickte heftig. »Und geht bei Grün über die Straße, wirft keinen Kaugummi auf den Bürgersteig, parkt immer vorschriftsmäßig …«
»… komm bitte zum Punkt!«
»Wer ist die Frau, der Professor Adams nächtens im Dom eine ganz private Führung hat angedeihen lassen?« Uli sah ihn forschend an. »Also, ich möchte wissen, welches Innenverhältnis zwischen den beiden besteht.«
»Innenverhältnis, aha. Ich ahne, worauf du hinaus willst.« Walde versuchte, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten. »Und was bietest du mir dafür?«
»Ein paar von den griechischen Malern und den anderen Arbeitern aus der Domkapelle sind ab und zu mal hier. Da ist vor zwei Wochen ein Typ aufgetaucht, der hat sich an die rangeschmissen.«
»Aha.«
»Was ist mit der Frau?«
»Falls du mit Innenverhältnis und privater Führung andeuten willst, dass die beiden ein tête-à-tête hatten, so kann ich dir eine Verleumdungsklage ersparen. Die Frau ist Fotografin und war rein dienstlich mit Adams unterwegs. Das wird Monika bei der Pressekonferenz am Spätnachmittag bekannt geben.«
*
Harry saß in einem der halbhohen Sessel in der Lobby des Hotels Kaiser Konstantin, vor sich auf dem Tisch eine Tasse Kaffee. Er blätterte in einem Stapel kleinerer Blätter im DIN A6-Format und wurde erst auf Walde aufmerksam, als dieser sich neben ihm auf einer Zweiercouch niederließ.
»Mit griechischen Namen hab ich es nicht so.« Harry reichte Walde die Hälfte der Blätter hinüber. »Ich kenne nur ein paar griechische Philosophen: Odysseus, Rehakles oder so. Vielleicht waren es auch Götter.«
Walde ging nicht auf Harrys Bemerkung ein.
»Schau mal an, Salvatore Montalbano aus Vigàta hält sich in Trier auf.« Walde blätterte die Anmeldeformulare der Gäste durch und blieb gleich darauf erneut an einem Namen hängen.
»Wo liegt das?«
»Nirgendwo in Sizilien … Och,« stieß Walde aus. »Kay Scarpetta, auch nicht schlecht.«
»Sagt dir der Name Erich Van Veeteren etwas?«, fragte Harry.
»Und ob.« In diesem Moment hielt Walde die Anmeldungen von Hanne Wilhelmsen, Kurt Wallander und Guido Brunetti in der Hand.
Eine Frau im dunklen Anzug stand vor der Sitzgruppe. »Darf ich den Herren etwas anbieten, Kaffee, Tee, Wasser?«
»Das ist Kriminalhauptkommissar Beck … äh … Bock«, stellte Harry Walde der Dame vor, die, wie das Schild an ihrem Revers Auskunft gab, Linda irgendwas, Management, hieß.
Walde versuchte vergeblich, den Namen zu entziffern. »Wie kommt es, dass Sie heute die Creme der Krimiszene beherbergen?«
»Wie bitte?«
Walde überreichte ihr die aussortierten Blätter. Beim zweiten Blatt zeigte sie zum ersten Mal eine Regung. Beim dritten sagte sie: »Aber das kann doch«, um beim vierten den Satz zu vervollständigen, »kein Zufall sein.«
»Zumal die Personen, soweit mir bekannt, fiktive Romanfiguren sind.«
»Haben Sie sich denn nicht die Ausweise Ihrer Gäste zeigen lassen?«, wollte Harry wissen.
»Das war nicht nötig, die Zimmer werden bezahlt. Einen Moment, bitte.«
Walde beobachtete, wie die Frau zur nahen Rezeption ging. Er fragte sich, warum sich so viele Frauen in Banken, Versicherungen, Hotels und auch sonst im Business wie Männer kleideten.
Unter ihren flinken Fingern gab die Tastatur leise Maschinengewehrsalven von sich.
»Es scheint«, sagte die Hotelmanagerin gedehnt, ohne das Klappern zu unterbrechen, »dass die Personen alle zur selben Gruppe gehören.« Sie schaute die beiden Polizisten an. Als diese nichts sagten, fügte sie hinzu: »Wie gesagt, die Zimmer werden bezahlt. Es handelt sich um einen Kunden, dem wir vertrauen.«
»Deshalb haben Sie keine korrekten Anmeldungen?«
»Ja, es hat alles seine Ordnung, glauben Sie mir. Mehr darf ich nicht sagen.«
»Mir ist es scheißegal, wer die Kosten für diese Leute übernimmt.« Als Harry die andere Seite der Rezeption erreicht hatte, zeigte der Bildschirm lediglich die stummen Steinriesen von Stonehenge.
*
Walde kam es so vor, als sei er darauf konditioniert, sobald er in dem weich gepolsterten Besuchersessel des Polizeipräsidenten Platz nahm, von einer plötzlich auftretenden Müdigkeit übermannt zu werden, die ihn alles, was um ihn herum vorging, nur noch oberflächlich wahrnehmen ließ. Der Chef hatte ihn zu einem Gespräch unter vier Augen in sein Büro gebeten.
Stiermann füllte
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