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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Richtige entstellt. Deswegen sollte man sich hüten, dem, was ich sage, vorbehaltlos Glauben zu schenken. Wenn ich ganz ehrlich sein soll, sollte man sich vielleicht am meisten davor hüten, den Schilderungen meiner eigenen Leistungen zu trauen. Es kann sein, dass ich versuche, meinen Anteil bedeutender darzustellen, als er in Wirklichkeit war, und dass ich eher wiedergebe, wie ich in bestimmten Situationen hätte reagieren wollen, als wie ich tatsächlich reagiert habe. Vielleicht liegt das in der menschlichen Natur. Ichselbst vertraue meinem Gedächtnis nicht. Es hat seit jeher dazu tendiert, mich in Schutz zu nehmen.
    Erst im Nachhinein wurde mir klar, welche großen Ereignisse sich damals abgespielt hatten, und nur allmählich vermochte ich, die Bedeutung all dessen, was sich zugetragen hatte, zu erfassen. Erst als die Zeit mir Distanz zu unseren Abenteuern verliehen hatte, konnte ich voll und ganz die Seelenqualen des Professors nachvollziehen und das Bedürfnis verstehen, das ihn antrieb. Ich hätte ihm möglicherweise eine größere Hilfe sein können. Er sah in den mittelalterlichen Handschriften Werte, die ich erst später schätzen lernte, und auch in dieser Hinsicht hat er großen Einfluss auf mein Leben gehabt. Ich hatte das Studium der Nordischen Philologie hinter mich gebracht, ohne die zeitlose Bedeutung der Handschriften zu begreifen. Ihm gelang es, mir das Verständnis dafür nahezubringen, dieses leidenschaftliche Interesse in mir zu wecken, das danach für immer in mir brennen sollte.
    Da standen wir also stumm auf dem Rathausplatz und warteten darauf, dass die Nachricht ein weiteres Mal über das Leuchtschild von Politiken lief. Für uns war das eine Nachricht von Weltrang, aber andere, die auf dem Rathausplatz unterwegs waren, schenkten ihr kaum Beachtung. Ein Mann stand ganz in unserer Nähe, der auf dasselbe zu warten schien wie der Professor und ich: dass diese Nachricht ein weiteres Mal leuchtend oben am Gebäude entlanglief und durch die ganze Welt ging. Und dann kam sie. Literaturnobelpreis an Halldór Laxness.
    »Phantastisch«, hörte ich den Professor laut sagen, als die erste Überraschung verflogen war. »Was für ein Triumph!« Der Mann, der in der Nähe stand und genau wie wir zu der Laufschrift hochsah, hörte die Worte des Professors und kam zu uns herüber.
    »Ja, ist das nicht grandios?«, sagte er auf Isländisch.
    Er war also Isländer. Er bot uns eine Zigarette an, die wir dankend ablehnten, er jedoch zündete sich eine an.
    »Ich komme von einer großen Reise zurück«, sagte er, »und das ist das Erste, was ich hier in Kopenhagen sehe. Was für eine Nachricht!«
    »Er hat ihn wirklich verdient«, sagte der Professor.
    Der Mann kam mir bekannt vor, ich glaubte, irgendwann einmal ein Bild von ihm in einer Zeitung gesehen zu haben, aber ich konnte mich nicht an seinen Namen erinnern.
    »In der Tat«, sagte der Mann, ohne sich vorzustellen. Er war um die dreißig, trug einen Hut und hatte seinen Mantel über den Arm gelegt. Er war mittelgroß, untersetzt, und seine Zähne standen etwas vor. Sein Lächeln hellte seine Augen auf. Man hörte ihm an, dass er aus Nordisland kam.
    »Von was für einer Reise bist du zurückgekommen?«
    »Aus China«, sagte der Mann. »Es war eine Journalistenreise, und wir fahren in zwei Tagen mit der Gullfoss nach Hause.«
    »Mit der Gullfoss ? Fährt die in zwei Tagen?«
    »Ja.«
    »Valdemar, was haben wir heute für ein Datum?«, fragte der Professor.
    Ich überlegte, aber ich wusste es nach all den sich überstürzenden Ereignissen der letzten Tage nicht mehr genau. Irgendwie stand ich völlig neben mir.
    »Wir haben den siebenundzwanzigsten Oktober«, sagte der Journalist.
    »Und ist übermorgen der Neunundzwanzigste?«
    Der Journalist lächelte.
    »Genau, wie ich gedacht habe«, flüsterte der Professor. »Sigmundur reist immer auf dieselbe Weise.«
    »Was?«, fragte ich.
    »Neunundzwanzig«, sagte er, »die Zahlen auf dem Brief im Schreibtisch bei Glockner.«
    »Ja.«
    »Am Neunundzwanzigsten läuft die Gullfoss von Kopenhagen aus. Glockner hat das von Sigmundur erfahren und sich notiert.«
    »Die Gullfoss ?«
    »Ja, natürlich. Sigmundur reist mit der Gullfoss nach Hause, da bin ich mir ganz sicher.«
    Der Journalist sah fragend von einem zum anderen.
    »Du bist also Journalist?«, wandte sich der Professor lächelnd wieder an ihn.
    »Ich arbeite für die Tíminn «, sagte der Mann. Er streckte seine Hand aus, stellte sich vor, und wir

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