Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
Händen ist und ich ihn, seien es auch nur fünf Minuten, sprechen kann, bin ich mir ganz sicher, dass er ihn mir aushändigen wird, obwohl er etliche Schrauben locker hat.«
»Ich habe hier in den Zeitungen nichts über euch und diese Gewalttaten gelesen«, sagte Vera. »Aber du hast Recht, du solltest auf jeden Fall sehr vorsichtig sein. Ich bin froh, dass du dich an mich gewandt hast.«
Sie stand auf. »Ihr seid ja völlig erschöpft«, sagte sie. »Ich werde euch das Zimmer zeigen. Einer muss auf dem Boden schlafen, denn das Sofa hier im Wohnzimmer ist zu klein, und ich habe leider keine Extramatratze.«
»Das macht ihm gar nichts aus«, sagte der Professor.
Vera lächelte. »Ihr habt kein Gepäck?«
»Das mussten wir in Deutschland zurücklassen«, sagte ich.
Sie wünschte uns eine gute Nacht und ließ uns beide im Zimmer allein.
Der Professor legte sich sofort ins Bett.
»Du weißt, dass man heutzutage auch von Kopenhagen nach Reykjavík fliegen kann«, sagte ich.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass der alte Sigmundur sich einem Flugzeug anvertraut«, erklärte der Professor, und damit war die Sache ausdiskutiert.
Ich versuchte, mich da in der Enge auf dem Fußboden zurechtzubetten. Vera hatte zwei Decken auf den Boden gelegt und mir eine dritte gereicht, mit der ich mich zudecken konnte. Ich schlief in meinen Kleidern, die inzwischen ungemein gelitten hatten. Dasselbe galt für den Professor. Wir sahen aus wie Landstreicher.
»Wer ist diese Frau?«, fragte ich.
»Sie ist einmalig, findest du nicht?«, antwortete der Professor.
»Woher kennst du sie?«
»Vera und ich kennen uns schon sehr lange. Sie hat mir im Laufe der Jahre oft geholfen.«
»Sie weiß vom Codex Regius «, sagte ich. »Ich dachte, dass niemand außer uns Bescheid weiß.«
»Vera weiß alles«, sagte der Professor.
»Ihr müsst eine sehr gute Beziehung zueinander haben«, sagte ich.
»Ja. Schon immer.«
»Woher kennst du sie?«, wiederholte ich.
Der Professor richtete sich halb auf und stützte sich auf den Ellbogen.
»Sie ist die Schwester von Gitte«, sagte er. »Sie waren Zwillingsschwestern.«
Als ich spät am nächsten Morgen erwachte, war mein ganzer Körper steif, und mein Rücken schmerzte von dem harten Fußboden. Der Professor war nicht im Zimmer. Ich zog meine Jacke an, ging auf den Flur und rief nach Vera, fand aber schnell heraus, dass niemand in der Wohnung war. Ich ging in die Küche, suchte nach dem Kaffee und kochte mir eine Tasse. Ich fand Brot und Orangenmarmelade und genoss in Ruhe mein Frühstück, doch nach all diesen abenteuerlichen Erlebnissen in Deutschland und der Nacht auf dem harten Fußboden war ich immer noch ganz durcheinander. Ich saß nur da und starrte gedankenverloren vor mich hin, als ich im Flur Geräusche hörte. Ich stand auf. Vera kam mit einer großen Einkaufstüte zurück.
Sie wünschte mir einen guten Morgen, als würde ich schon seit Ewigkeiten bei ihr wohnen. Ich fragte sie, ob sie wisse, wo der Professor sei. Sie sagte, er versuche herauszufinden, ob Sigmundur tatsächlich in der Stadt war und ob er eine Passage auf der Gullfoss gebucht hatte.
»Er wollte dich nicht wecken«, sagte sie. »Er dachte, es würde dir guttun auszuschlafen.«
»Sehr nett von ihm«, sagte ich.
»Er ist gar nicht so übel«, sagte sie und zog sich den Mantel aus. »Möchtest du noch Kaffee?«
»Ja, vielen Dank. Der Kaffee, den ich gekocht habe, war dünn und nahezu ungenießbar.«
Ich setzte mich zu ihr in die Küche und sah ihr zu, wie sie frischen Kaffee aufgoss. Sie hatte frisches Gebäck gekauft und stellte es für mich auf den Tisch. Ich musste an die Worte des Professors denken, dass Vera und Gitte Zwillingsschwestern waren. Ich hätte gern mehr gewusst, traute mich aber nicht, direkt danach zu fragen, Vera konnte das als aufdringlich empfinden. Ich saß also schweigend und ziemlich verlegen in ihrer Küche und hoffte, dass der Professor bald zurückkehren würde.
»Er wollte nicht lange wegbleiben«, sagte Vera lächelnd. »Und er hat gesagt, du sollst das Haus möglichst nicht verlassen.«
»Das ist wahrscheinlich am besten so«, sagte ich niedergeschlagen.
»Es wird schon alles gut enden«, sagte sie tröstend. »Er hat so viele Jahre wegen dieses Buchs gelitten. Ich hoffe nur, dass er es zurückbekommt, damit das, was im Krieg schiefgelaufen ist, wieder in Ordnung gebracht werden kann.« »Er hat dir also davon erzählt.«
»Ja, natürlich.«
Sie setzte sich mit dem Kaffee zu
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