Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
und Glockner überfallen haben, diejenigen sind, die ich dafür halte, weiß ich nicht, ob du mit mir auf die Gullfoss gehen solltest. Du bist viel zu jung, um das Risiko einzugehen, in deren Klauen zu geraten.«
»Was meinst du damit?«
»Das, was ich sage. Wir wissen nicht, was uns erwartet. Ich kann die Verantwortung für dich nicht mehr übernehmen. Ich glaube, du bleibst am besten hier bei Vera.«
»Hier bei Vera?«
»Wenn mir etwas zustößt, gehst du zur Polizei und sagst ihnen die Wahrheit. Vera wird deine Aussage stützen, ebenso wie Frau Bauer in Berlin.«
»Wenn dir etwas zustößt? Was sollte dir zustoßen?«
»Ich weiß es nicht, aber ich finde es nicht ratsam, dass du weiterhin dabei bist. Die Sache ist viel gefährlicher, als ich je vermutet hätte. Diese Männer schrecken vor nichts zurück. Ich möchte nicht, dass sie dir etwas antun.«
»Bislang hat es dir nichts ausgemacht. Wieso hat sich da jetzt etwas geändert? Wovon redest du?«
»Ich möchte nicht, dass dir etwas zustößt, Valdemar.«
»Ich werde in Deutschland wegen Mordes gesucht! Was kann mir Schlimmeres passieren? Ich fahre mit dir«, sagte ich und klang mutiger, als ich mich fühlte.
Es hatte Zeiten gegeben, in denen ich froh gewesen wäre,einer so gefährlichen Reise, wie sie uns bevorstand, zu entgehen, aber nie im Leben hätte ich nun zugelassen, dass der Professor es ganz allein mit Orlepp und seinen Kumpanen aufnahm. Das hatte auch gar nichts mit Mut zu tun, sondern mit Vernunft. Gemeinsam waren wir in einer stärkeren Position.
»Ich hätte dich nie in diese Angelegenheit hineinziehen dürfen«, sagte der Professor. »Ich hätte das alles allein in den Griff bekommen müssen.«
»Du kannst nicht ohne mich fahren«, sagte ich.
»Meiner Meinung nach wäre das aber besser.«
»Wieso sollte es besser sein? Wir stehen diese Sache zusammen durch!«
»Würdest du die Entscheidung darüber bitte mir überlassen? Ich kann nicht gleichzeitig auf dich aufpassen und mich mit diesen Leuten anlegen.«
»Auf mich aufpassen? Ich wüsste nicht, dass du je auf mich aufgepasst hättest!«
»Valdemar …«
»Ich komme mit dir«, sagte ich.
Wir hörten, wie die Wohnungstür aufging. Vera war wieder zurück. Wir standen beide auf. Der Professor gab mir zu verstehen, dass wir das Thema wechseln sollten, wir würden später weiterreden.
»Das sind ja reizende Dinge, die man in der Berlingske Tidende über euch liest«, sagte Vera und reichte dem Professor die Zeitung, die sie gekauft hatte. »Angeblich hat die deutsche Polizei diverse Anhaltspunkte, dass diese beiden Fälle in Berlin miteinander verknüpft sind.«
Der Professor schlug die Zeitung auf. Die Nachricht stand auf Seite zwei. Dort hieß es, dass zwei Isländer im Zusammenhang mit Mord und versuchtem Totschlag gesucht würden; unsere Namen standen ebenfalls dort. Die Gründe, weshalb die deutsche Polizei nach uns fahndete, warenknapp zusammengefasst, und außerdem vermutete man, dass wir wahrscheinlich nach Dänemark entkommen waren.
»Das wird alles auch in Island durch die Presse gehen«, sagte der Professor leise zu sich selbst.
»Halldór ist in Kopenhagen«, sagte Vera.
»Wer?«
»Halldór Laxness«, antwortete Vera. »Er ist gerade aus Schweden zurückgekommen und befindet sich auf dem Weg nach Island. In der Zeitung wird über die Pressekonferenz berichtet, die hier in Kopenhagen stattgefunden hat.«
Der Professor blätterte in der Zeitung. »Ja, hier steht es. Unglaublich, einfach unglaublich.«
»Ich komme mit dir«, wiederholte ich, »und damit basta.« Vera sah uns abwechselnd an, sie schien zu spüren, dass wir uns gestritten hatten.
»In Ordnung, Valdemar«, sagte der Professor und sah von der Zeitung hoch. »Aber du tust dann genau das, was ich sage, und nichts anderes.«
Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg nach Amager. Er ging hundert Meter voraus, ich folgte ihm. Wir trauten uns nicht, direkt die Strandgade entlangzuspazieren, wo die Gullfoss vertäut war, sondern pirschten uns durch kleine, wenig belebte Gässchen und Sträßchen zum Asiatisk Plads vor. Wir platzierten uns an einer unauffälligen Stelle und sahen, wie die Passagiere einer nach dem anderen beim Schiff eintrafen. Einige kamen in der milden Herbstluft geruhsam zu Fuß dahergeschlendert, andere fuhren im Auto vor, das mit Sachen vollgestopft war, die man in Kopenhagen eingekauft hatte. Sigmundur sahen wir nicht, aber ich bemerkte den untersetzten Journalisten, mit dem wir auf
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