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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Der Professor, erschöpft, wie er nach den Ereignissen der letzten Tage war, hatte gut geschlafen. Wir aßen zusammen zu Mittag, und wieder spürte ich, wie gut sie sich verstanden, ich sah es ihnen an, wie vertraut sie miteinander sprachen.
    Er zog die Dose mit dem weißen Pulver heraus.
    »Glaubst du, dass dieses Zeug gut für dich ist, das du da dem Tabak beimischst?«, fragte ich.
    »Es hilft«, sagte er. »Es macht einen entschlossener und klarer im Kopf. Wenn die Wirkung nachlässt, geht es einem allerdings hundsmiserabel, man hat höllische Angstzustände und Depressionen. Ich kann es dir eigentlich kaum empfehlen, Valdemar. Doch du möchtest es vielleicht ausprobieren?«
    »Nein danke. Ist das nicht gefährlich?«
    Der Professor zuckte mit den Achseln. »Was ist nicht gefährlich?«, fragte er gleichgültig.
    Er schloss die Schnupftabaksdose wieder und spielte mit ihr, wie er es so häufig tat. Er war tief in Gedanken versunken. Ich fühlte mich nach dem Essen ziemlich schlapp. Als ich mir erlaubte, unsere gegenwärtige Situation ein wenig ins Lächerliche zu ziehen, indem ich sagte, ich hätte mir nicht vorstellen können, dass es so angenehm sei, auf der Flucht zu sein, sah ich, dass er grinste.
    »Du hast mit Vera geredet?«, fragte er nach längerem Schweigen.
    »Nicht viel«, sagte ich und war sofort auf der Hut.
    »Sie hat mir gesagt, ihr hättet euch über Gitte unterhalten«, sagte er.
    »Ja, es kam die Rede auf sie.«
    »Ihre Familie kam nicht einmal zur Beerdigung«, sagte er. »Außer Vera kam niemand. Kannst du dir vorstellen, dass es so hartherzige Menschen gibt?«
    Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. »Vera hat mir gesagt, dass niemand sie hätte besser pflegen können, als du es getan hast«, sagte ich schließlich.
    »Hast du jemals einen nahen Angehörigen verloren, Valdemar?«, fragte er.
    »Nein«, sagte ich und dachte daran, dass es da auch nicht viele gab.
    »Es ist schwierig, so etwas zu beschreiben. Worte dafür zu finden, wie einsam man wird und wie entsetzlich es ist, wenn ein Mensch im besten Alter sterben muss. Der Verlust steht dir jeden Tag, den du noch zu leben hast, vor Augen.«
    »Das kann ich mir gut vorstellen.«
    »Nichts schmerzt so sehr wie das. Ein Teil von dir selbst stirbt, aber dieser Teil kommt nicht unter die Erde, sondern begleitet dich ab da. Er folgt dir, wohin auch immer dugehst, und hält die Erinnerung wach. Der Tod in dir selbst. Man weiß zwar im Innersten ganz genau, dass einem das Leben nichts schuldig ist, dass man nichts von ihm verlangen kann, trotzdem wird man aber die Trauer und den Verlust nie los.« Der Professor verstummte.
    »Ich vermisse manchmal eine Mutter«, sagte ich nach langem Schweigen. »Nicht meine Mutter, wie sie ist, sondern die Mutter, die ich gerne hätte haben wollen.«
    Als der Professor mich ansah, zwinkerte er so, als habe er etwas ins Auge bekommen.
    »Es war schlimm, sie zu verlieren«, sagte er.
    Das Schweigen, das jetzt entstand, hielt lange an, da keiner von uns es durchbrechen mochte. Ich musste an Vera denken. Es musste sehr seltsam sein, einen geliebten, dahingeschiedenen Menschen in dessen Zwillingsschwester vor sich zu sehen. Der Professor konnte an ihr beobachten, wie Gitte sich entwickelt hätte und gealtert wäre.
    »Es muss dir ein Trost gewesen sein, Vera zu haben«, sagte ich schließlich.
    »Ein unschätzbarer Trost«, antwortete er.
    »Sie sind sich ähnlich?«
    »Ja, äußerlich sehr.«
    Wir schwiegen wieder.
    »Ihr ist das vollkommen klar«, sagte der Professor plötzlich, als könne er meine Gedanken lesen. »Vera sieht das jedes Mal, wenn ich sie anschaue. Wir haben auch darüber gesprochen. Wir sind eng befreundet. Sie hat nie geheiratet. Es hat ganz den Anschein, als sei es manchen Leuten nicht vergönnt, eine Familie zu gründen.«
    »Hat sie irgendwelche Verbindung zu ihrer Familie?«
    »Nein. Ihre Eltern sind beide gestorben. Nach Gittes Tod hat sie die Verbindung zu ihnen vollständig abgebrochen. Sie hat zwei Brüder, zu denen sie keinerlei Kontakt hat. Der eine führt die Familientradition weiter und schneidert fürdie königliche Familie. Ein blasierter Schnösel. Bildet sich Gott weiß was ein, ohne irgendetwas vorweisen zu können.«
    Er schwieg wieder eine Weile und sagte dann: »Ich möchte einen solchen Verlust nicht noch einmal durchstehen müssen.«
    »Nein«, sagte ich, »das verstehe ich gut.«
    Er sah mich an. »Bist du dir sicher?«
    »Ja?«
    »Wenn die Männer, die Färber

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