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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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jetzt raus mit der Sprache«, sagte er und sprach jetzt Isländisch. »Was willst du von mir?«
    Er ging zu seinem Schreibtisch, zog die Vorhänge auf und öffnete das Fenster. Dann nahm er auf dem verschlissenen Schreibtischstuhl Platz und zog eine Tabaksdose aus seiner Tasche hervor. Das Chaos in dem Raum wurde durch das Sonnenlicht keineswegs gemildert, aber die frische Luft tat gut. Ich überlegte, ob ich ihm sagen sollte, dass wir uns bereits begegnet wären, denn davon hatte er offensichtlich überhaupt nichts mitbekommen, aber ich fand es nicht ratsam, seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
    »Ich heiße … Valde … mar«, stammelte ich, »und ich bin für den nächsten Winter hier an im Institut für Nordische Philologie eingeschrieben.«
    »Na, da schau her.«
    »Ich … Ich bin schon gestern hierhergekommen … aber …« »Ja, was denn?«
    »Sie kennen meine Tante«, rutschte es mir heraus.
    Die Tante hatte mir aufgetragen, ihm Grüße auszurichten. Ich wusste nicht genau, ob sie sich wirklich kannten; sie hatte nur angedeutet, dass sie entfernt verwandt seien. Ich erzählte ihm von meiner Tante in den Westfjorden, er hörte mir interessiert zu und erklärte, er wisse, wer sie sei, aber er habe sie nie persönlich getroffen. Das konnte stimmen, denn auch meine Tante hatte mir gesagt, dass sie nie miteinander gesprochen hätten.
    »Und wie geht es deiner Tante?«, fragte er.
    »Eigentlich gut, danke der Nachfrage. Sie bat mich, Ihnen Grüße auszurichten«, fügte ich verlegen hinzu.
    »Und jetzt bist du also hier?«, sagte er und sah mich prüfend an.
    »Es sieht so aus«, sagte ich und versuchte zu lächeln.
    Auf einmal erinnerte ich mich an das Empfehlungsschreiben. Ich zog es aus der Jackentasche und überreichte es dem Professor.
    »Hier habe ich … Ich habe hier ein Empfehlungsschreiben von Dr. Sigursveinn. Er war mein Mentor an der Universität daheim.«
    »Ein Empfehlungsschreiben?«
    Er schaute mich plötzlich an, als hätte er eine seltsame Kreatur vor sich, die sich irgendwie in sein Büro verirrt hatte. Vielleicht war ihm nicht klar, wie schüchtern und nervös ich war. Der Professor war einer der kompetentesten Handschriftenexperten unseres Landes und galt als überragend scharfsinniger Geist. Irgendwie fühlte ich mich schrecklich klein und unbedeutend und hatte weiche Knie. Das gute und konstruktive Selbstvertrauen, das ich in mir aufgebaut hatte, weil ich es aus eigener Kraft heraus geschafft hatte, dieses Ziel zu erreichen – es war wie weggeblasen. Er nahm den Umschlag mit dem Schreiben von meinem Lehrer entgegen. Statt ihn zu öffnen, knüllte er ihn zusammen und warf ihn aus dem Fenster.
    »Weshalb stotterst du?«, fragte er.
    Ich traute meinen Augen nicht. Er warf das Empfehlungsschreiben weg, ohne es eines Blickes zu würdigen! Einen Augenblick lang überlegte ich, ob ich nach unten laufen sollte, um den Brief zu retten. All diese wunderbaren Worte, die Dr. Sigursveinn über mich geschrieben hatte! Dieser Mann behandelte sie wie Müll!
    »Ich … Ich … stottere nicht«, sagte ich stattdessen.
    »Was hast du gesagt, wie du heißt?«
    »Valdemar. Ich soll bei Ihnen Nordische Philologie studieren. Ich bin vor einigen Tagen nach Kopenhagen gekommen. Sie hatten sich mit mir verabredet. Sie haben das vielleicht … Vielleicht haben Sie das vergessen?«
    Er sah mich verständnislos an, und ich rekapitulierte im Geiste das, was ich da von mir gegeben hatte, und begriff mich selbst nicht: Sie hatten sich mit mir verabredet! Was hatte ich da gesagt? Ich wusste, dass ich durchaus in der Lage war, mich sehr viel gewandter auszudrücken, aber irgendwie hatte der Professor von Anfang an diese Wirkung auf mich, dass mir die Worte im Halse stecken blieben, sobald ich ihm gegenüberstand.
    »Ich meine, dass …«
    »Valdemar, du musst lernen, etwas gelassener an die Dinge heranzugehen«, erklärte er, und es kam mir fast so vor, als schmunzelte er dabei. »Dein Name kommt mir bekannt vor. Deine Tante hat mir geschrieben. Du sagst, wir waren verabredet? Das hatte ich total vergessen.«
    Endlich schien er zu begreifen, was ich hier in seinem Büro wollte.
    »Es war nicht abgeschlossen«, sagte ich und sah dabei zum Fenster, durch das das Empfehlungsschreiben hinausgeflogen war. »Sie müssen entschuldigen, ich dachte, Sie hätten vielleicht mein Klopfen nicht gehört …«
    »Was willst du hier?«, fragte er. »Und hör mit dieser verfluchten Siezerei auf!«
    »Ich … Ich bin gekommen …

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