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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Dr. Sigursveinn sich ausdrückte. Er meinte damit das Studium, das Universitätsleben und die Stadt, wenn ich ihn richtig verstanden hatte. Als einsamer Student der Altnordistik in einer Riesenstadt, der nie zuvor im Ausland gewesen war und keine anderen Angehörigen hatte als eine arme Tante in Island, hatte ich einige Hoffnung auf den Professor gesetzt.
    Ich vertrödelte den halben Tag. Die Dame, die mir das Zimmer in der Skt. Pedersstræde vermietete, stand in der Tür, als ich nach ziellosem Bummeln durch die Stadt nach Hause kam. Sie überreichte mir einen Brief von Dr. Sigursveinn, der mir freundlicherweise einen Willkommensgruß nach Kopenhagen gesandt hatte und der Hoffnung Ausdruck gab, dass ich Spaß am Weiterstudium haben und gut vorwärtskommen würde. Den Professor erwähnte er mit keinem Wort. Ich setzte mich sofort hin, um ihm zu antworten und ihm für seinen Brief zu danken. Die Probleme, die ich auf mich zukommen sah, ließ ich unerwähnt. Ich wollte meinen Aufenthalt in Kopenhagen nicht damit beginnen, einen Klagebrief zu schreiben.

Drei
    Am späten Nachmittag steckte ich das Empfehlungsschreiben ein weiteres Mal in meine Jackentasche und machte mich auf den Weg. Die ursprüngliche Zeitvereinbarung war sowieso hinfällig, nun wollte ich es einfach darauf ankommen lassen. Die Tür zum Büro des Professors war wieder unverschlossen, aber diesmal sah ich keine Alkoholleiche auf dem Fußboden, als ich einen Blick in das Zimmer warf. Ich beschloss abzuwarten, ob der Professor auftauchen würde, und betrachtete unterdessen die Bücherregale. Erwartungsgemäß fand sich dort eine interessante Lektüre, Bücher aus der ganzen Welt und in allen Sprachen, auch auf Griechisch und Latein. An einigen Stellen lugten Flaschenhälse hinter den Büchern hervor, die unverkennbar Zeugnis davon ablegten, auf welche Irrwege der Professor geraten war. Auf dem Boden in einer Ecke des Zimmers befand sich ein feuerfester Geld- oder Aktenschrank, und ich nahm an, dass der Professor dort die wertvollsten Handschriften aufbewahrte, an denen er forschte.
    »Wer zum Teufel bist du?«, donnerte plötzlich eine sonore Stimme auf Dänisch hinter mir los. Mein Herz setzte einen Schlag aus, und ich schrak heftig zusammen. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass der Professor sein Büro betreten hatte, und es hatte ganz den Anschein, als wolle er auf mich losgehen.
    »Bist du ein Einbrecher?«, rief er drohend, noch bevor ichZeit hatte zu antworten, und fuchtelte mit seinem Stock in meine Richtung. »Willst du mich bestehlen?«
    Dann sagte er etwas auf Deutsch, was ich nicht richtig verstand.
    »Entschuldigen Sie«, setzte ich an, aber weiter kam ich nicht.
    »Ach so, ein Isländer«, sagte er.
    »Ja«, sagte ich, »ich bin …«
    »Ich habe gedacht, du wolltest hier etwas klauen«, sagte der Professor, jetzt sichtlich beruhigt.
    »Nein«, sagte ich, »ich … ich bin kein … Dieb.«
    »Diese verdammten Wagneriten!«, schrie er mich an. »Kennst du die? Hast du von denen gehört? Diebesgesindel der schlimmsten Sorte, alle miteinander!«
    »Nein«, erklärte ich wahrheitsgemäß. Diese Bezeichnung hatte ich nie in meinem Leben gehört, und ich hatte auch keine Ahnung, was darunter zu verstehen war. Der Professor klärte das im nächsten Satz in gewisser Weise auf.
    »Das ist das widerlichste Gesocks, das man sich vorstellen kann. Banditen und Mörder alle miteinander! Banditen und Mörder, so wahr ich hier stehe!«
    »Die … die kenne ich nicht.«
    »Was willst du von mir?«, fragte er. »Wer bist du überhaupt? Raus mit der Sprache! Steh hier nicht so rum wie ein Ölgötze!«
    »Die Tür stand offen, und ich …«
    Mit einem Mal kriegte ich kein einziges Wort mehr heraus, so ein ungehobeltes Benehmen machte mir Angst. Dieser unbeherrschte Mensch schien keinerlei Manieren zu haben. Er sah im Übrigen auch alles andere als vertrauenerweckend aus, wie er mir da gegenüberstand; das weiße Haar stand wild in alle Richtungen, und das Funkeln der Augen erinnerte an glühende Kohlen. Dieser schlanke, hochgewachsene Mann mit den weißen Bartstoppeln sahzudem erstaunlich rüstig und kräftig aus, obwohl er auf die siebzig zuging und einen ziemlich ausschweifenden Lebenswandel führte, soweit ich das beurteilen konnte. Er hinkte etwas und ging deswegen am Stock, einem schönen Exemplar aus Ebenholz mit Silberknauf und Stahlspitze. Er trug einen schwarzen Anzug mit Weste, und die Kette seiner silbernen Uhr verschwand in der Westentasche.
    »Also

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