Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
unseliges Zusammentreffen gewesen war; das lag nun hinter mir, und jetzt galt es festzustellen, ob ich nicht noch einmal ganz von vorne anfangen könnte. Mittlerweile wusste ich ja, was mich erwartete, und es würde dem Professor nicht gelingen, mich noch einmal aus der Fassung zu bringen.
Als ich am Hotel D‘Angleterre an Kongens Nytorv vorbeikam, ging es mir schon ein klein wenig besser. Óskar und ich hatten uns in einer gemütlichen Kneipe da in der Nähe verabredet, und ich bestellte mir ein kleines Bier. Als ich das intus hatte, wurde ich etwas ruhiger und war schon fast überzeugt, dass trotz des katastrophalen Starts alles gut verlaufen würde. Das Semester sollte in zwei Tagen beginnen, dann würde ich meine Kommilitonen kennenlernen, und der Professor war zudem keineswegs der einzige Dozent an der Abteilung.
Óskar kam ein wenig zu spät und entschuldigte sich mehrmals. Er bestellte zwei Carlsberg für uns. Als er meine Niedergeschlagenheit bemerkte, brachte er mich dazu, ihm von meinen Nöten zu erzählen, von dem Empfehlungsschreiben und dem Empfang, den mir der Professor hatte zuteilwerden lassen.
»Zerbrich dir deswegen nicht den Kopf«, sagte Óskar und trank einen Schluck Bier. »Solche Empfehlungen haben überhaupt nichts zu bedeuten.«
»Ja, aber das ist doch eine Unverschämtheit«, widersprach ich. »Der Mann ist ein richtig ungehobelter Klotz.«
»Na, komm. Es gibt bestimmt Schlimmere als ihn.«
»Ich kenne niemanden, der sich so seinen Studenten gegenüber benimmt«, sagte ich niedergeschlagen. »Niemanden.«
»Mach dir keine Gedanken deswegen«, sagte Óskar. »Übrigens erwarte ich zwei isländische Mädchen. Die eine studiert Biologie, die andere Kunst. Du musst schon ein bisschen besser gelaunt sein, wenn die kommen.«
»Mädchen?«
»Ja, sie studieren Biologie und Kunst. Ich kann mich nicht erinnern, wie sie heißen, und erst recht nicht, welche was studiert. Ich hab sie im Kannibalen getroffen, bist du dort schon mal gewesen?«
»Nein.«
»Du bist mir ja ein feiner Pinkel! Wo isst du denn?«
»Bei meiner Vermieterin, Frau Bodelsen.«
»In der Mensa der Universität ist zwar alles ziemlich ungenießbar«, sagte Óskar, »aber der Fraß ist billig und gut genug für uns Studenten. Du solltest das auch mal probieren.«
In diesem Augenblick betraten zwei junge Damen die Kneipe und erkannten Óskar sofort wieder. Als er sie mir vorstellte, verpackte er die Tatsache, dass er ihre Namen vergessen hatte, geschickt in einen Witz. Sie hießen Ólöf und Margrét, Ólöf studierte Kunst und Margrét Biologie. Sie setzten sich zu uns, und Óskar ging ihnen sofort zwei Tuborg Grøn an der Theke holen, nachdem er gefragt hatte, was sie trinken wollten.
Ich war Frauen gegenüber ziemlich schüchtern und überließdie meiste Zeit Óskar das Reden. Er hatte keine Probleme, sich mit ihnen zu unterhalten, war aufgekratzt und witzig, und sie lachten über ihn. Nach etlichen Bieren hatte sich meine düstere Stimmung etwas verzogen, und wir gingen zusammen ins Skinnbrogen , wo Óskar einige Studenten aus der Ingenieurwissenschaftlichen Fakultät vermutete. Sie saßen dicht gedrängt um einen Tisch herum und begrüßten uns überschwänglich. Auf dem Heimweg über den Strøget wollten sie noch in einer anderen Kneipe einkehren, aber da verabschiedete ich mich ziemlich angetrunken von der Truppe, schlenderte nach Hause, fiel ins Bett und schlief sofort ein.
Vier
Am nächsten Tag erschien ich ein weiteres Mal auf dem bewussten Korridor und klopfte leise, aber entschlossen an die Tür mit dem kleinen Kupferschild. Ich hatte einen ordentlichen Brummschädel, denn ich war es nicht gewöhnt, viel Alkohol zu trinken. Diesmal befand sich der Professor in seinem Büro, aber ich musste dreimal anklopfen, bevor eine Reaktion von drinnen zu hören war. Vorsichtig öffnete ich die Tür und trat ein. Er saß an seinem Schreibtisch und starrte auf irgendwelche Papiere, sah aber auf und blickte mich forschend an.
»Du schon wieder?«, fragte er, als er mich erkannte. Seine Stimme klang nicht sehr erfreut.
»Entschuldige bitte«, sagte ich und war angestrengt bemüht, ihn nicht zu siezen und nicht zu stottern. »In Island wurde mir gesagt, dass du sehr darauf bedacht bist, die Studenten persönlich kennenzulernen, die das Studium an der Abteilung aufnehmen. Wir haben uns zwar hier in diesem Büro getroffen, aber diese Begegnung hat meines Erachtens keinem von uns etwas gebracht.«
Der Professor stand auf,
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