Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
seiner damaligen Jugend als auch den dazwischenliegenden Jahren widersprach. Der Magier war hoch gewachsen und schlank, mit ähnlicher Haarfarbe wie Bernel und strahlend blauen Augen. Er hatte den waldgrünen Kapuzenumhang des Ordens getragen und einen langen Holzstab mit kunstvollen Schnitzereien und einem schimmernden orangefarbenen Kristall an der Spitze dabeigehabt. Und auf der Schulter des Magiers hatte ein wunderbarer grauer Falke mit dunklen, klugen Augen gesessen. Der Magier war, wie Jaryd sich erinnerte, freundlich gewesen, hatte ein liebenswertes Lächeln gehabt und sich lange mit Jaryd unterhalten, obwohl sich Jaryd überraschenderweise an nichts von diesem Gespräch erinnern konnte. Er erinnerte sich aber deutlich daran, den Eindruck gehabt zu haben, dass Drina und Bernel diesen Falkenmagier kannten, und sein Vater und der Magier hatten sich gestritten, bevor der Mann im Umhang sie wieder verließ. Und er erinnerte sich, dass er von diesem Tag an selbst einen jener grünen Umhänge hatte tragen wollen, die das Zeichen der Mitgliedschaft im Orden der Magier und Meister waren. Als er daran dachte, fand sich Jaryd auch einer anderen Erinnerung gegenüber, die noch lebhafter war als die erste und so verblüffend wie entmutigend: seiner Vision von sich selbst, wie er den Stab eines Magiers schwang und die Gesetzlosen mit blauem Feuer tötete. Wenn seine Träume tatsächlich die Zukunft zeigten, folgte daraus nicht, dass Jaryd eines Tages einen solchen Stab tragen und Meister der Magie sein würde? Schon der Gedanke überwältigte ihn.
Dennoch, die Möglichkeit, dass er sich eines Tages dem Orden anschließen könnte, und die Gesprächsfetzen zu diesem Thema, die er belauschte, hatten kürzlich eine dunklere Seite erhalten. In den letzten Monaten waren Gerüchte nach Accalia gedrungen, verbreitet von reisenden Kaufleuten, Barden und Musikern, dass einige Magier abtrünnig geworden seien und der Orden korrupt. Von weit aus dem Süden hörte man von Federn, die an Schauplätzen vernichtender Feuersbrünste und zertrampelter Ernten und selbst auf den verstümmelten Leichen von Männern, Frauen und Kindern zurückgelassen worden - eine entsetzliche Verkehrung der Tradition des Ordens, Federn als Zeichen für die hilfreichen Dienste der Magier und Meister zu verteilen. Jaryd lauschte diesen Geschichten mit einem skeptischen Ohr, aber als sie nicht verstummen wollten und den Magiern immer schlimmere Verbrechen zugeschrieben wurden, wurde er immer verzweifelter und ängstlicher, nicht nur um seinetwillen, sondern wegen des ganzen Landes.
Als er an diesem verregneten Morgen die Schule erreichte, klatschnass und mit einem Arm voller ebenso nasser Bücher, waren die meisten seiner Schüler bereits da und warteten auf ihn. Schulmeister Fyrth hatte ihn als Erstes zu den Kleinsten geschickt, den Vier- und Fünfjährigen, die gerade erst mit dem Unterricht begannen. Und als er dort im Vorraum stand und seine nasse Jacke auszog, konnte er sie schon rufen und lachen hören. Er betrat das Klassenzimmer, und sofort wurden die Kinder ruhiger und eilten zu ihren Plätzen. Es hat auch Vorteile, gefürchtet zu sein, dachte er mit einer gewissen Heiterkeit. Er hatte seinen Schülern bereits Buchstaben und Zahlen beigebracht, und in der Woche zuvor hatte er begonnen, ihnen von Tobyn-Sers Geschichte zu erzählen, und sich dabei besonders auf Amarids Entdeckung der Magie und seine Gründung des Ordens konzentriert. Die Unterrichtsstunden des heutigen Tages begann mit den Abboriji-Invasionen und den siegreichen Kämpfen des Ordens gegen die Eroberer aus dem Norden. Jaryd erzählte seinen Schülern von Fordel, Decla und Glenyse, den einzigen drei Adlerweisen in der Geschichte des Landes, die zu drei verschiedenen Gelegenheiten und innerhalb von zweihundertfünfzig Jahren Armeen von Magiern und tapferen Männern und Frauen gegen die Söldner aus Abboriji geführt, die Feinde über die Meerenge zurücktrieben und ihren Versuchen, Tobyn-Ser zu erobern, ein Ende gemacht hatten. Dreimal zog ihr Land in den Krieg, und dreimal wurden die Eindringlinge vertrieben, bis nach der letzten Schlacht die Adlerweise Glenyse und die Führer von Abboriji einen Frieden geschlossen hatten, der mehr als vierhundert Jahre gehalten hatte. Innerlich lächelte Jaryd, als er sah, mit welchem Staunen, welcher Ehrfurcht seine Schüler ihm lauschten. Auch er war, als er noch jünger war, fasziniert gewesen von den Geschichten der alten Kriege und von den
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