Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
lang an, dann verschwand sein Lächeln. »Weißt du, wer ich bin, Jaryd?«
Jaryd kannte den offiziellen Titel des Magiers, Eulenmeister, aber nicht seinen Namen. Aber danach schien dieser hoch gewachsene Mann auch nicht zu fragen. Dann erinnerte sich Jaryd an ein Gespräch, das er vor beinahe einem Jahr mit seinem Vater geführt hatte. »Du und ich, wir sind verwandt, nicht wahr? Väterlicherseits?« Der Magier kniff die blitzenden Augen ein wenig zusammen. »Hat er dir das gesagt?«
Jaryd lachte leise. »Nein. Er und ich haben nie von deinem Besuch gesprochen. Aber er hat einmal erwähnt, dass der Blick in seiner Familie erblich ist. In eurer Familie«, verbesserte er sich.
»Und ihr seht euch ähnlich.«
»Das sollten wir auch«, erwiderte der Eulenmeister mit einem Grinsen. »Ich heiße Baden. Ich bin dein Onkel; Bernel ist mein Bruder.«
Jaryd musste wohl ziemlich komisch dreingeschaut haben, denn Baden begann zu lachen, obwohl Jaryd glaubte, auch eine andere Emotion in den Augen des Magiers entdeckt zu haben, bevor die Heiterkeit ihn übermannte. »Nun«, sagte der Eulenmeister immer noch lachend, »ich sehe dir an, dass du von deinem Onkel Baden nichts wusstest.« Er schaute zu Boden. Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel, aber als er wieder sprach, lag auch Traurigkeit in seiner Stimme. »Es gibt wohl Dinge, die sich niemals ändern. Selbst nach all diesen Jahren. Selbst unter Brüdern.«
Noch einen Augenblick lang schien eine Wolke Badens Stimmung zu verfinstern. Dann war sie verschwunden, und nur das Grinsen und die Fröhlichkeit in seiner Stimme blieben. »Aber ich habe dich aufgehalten. Wohin warst du unterwegs?«
Jaryd war sich plötzlich wieder der Hammerklänge aus der Schmiede seines Vaters bewusst, und vor allem der Menschenmenge, die zusah, wie er mit dem Eulenmeister sprach. »Ich war unterwegs in die Schmiede, um Papa und Royden zu helfen.«
»Ich verstehe.« Baden holte tief Luft und sah sich unsicher um. Dann schien er eine Entscheidung getroffen zu haben. »Nun«, sagte er, »wenn ich dich begleiten darf - es ist wohl Zeit für ein Familientreffen.«
»Sicher«, antwortete Jaryd und zuckte ungelenk die Schultern. Sie gingen auf die Schmiede zu. Jaryd konnte spüren, wie sich die Blicke der Dorfbewohner in seinen Rücken bohrten, und er fragte sich, ob es Baden ebenso ging.
»Ich nehme an, es geht euch allen gut«, sagte der Magier beiläufig.
»Ja, danke.«
»Gut.« Sie gingen schweigend ein paar Schritte weiter, und dann überraschte Baden seinen Neffen. »Du wirst dich nach einer Weile daran gewöhnen, dass alle dich anstarren, Jaryd«, bemerkte er in demselben beiläufigen Tonfall. »Mit einer gewissen Macht und einer gewissen Stellung steht man immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit und der Beobachtung. Mit der Zeit gewöhnt man sich daran. Es geht nicht anders.«
Jaryd sah den Magier an, dann nickte er. »Du und Papa - mögt ihr einander?«, fragte er nach einem weiteren kurzen Schweigen. Er zuckte sofort innerlich zusammen, weil er wusste, wie dumm sich die Frage anhören musste. Aber wenn Baden die Frage für unangemessen hielt, zeigte er es nicht. »Ich denke, auf einer gewissen Ebene empfinden wir Zuneigung füreinander«, begann der Eulenmeister nachdenklich. »Wir waren immer sehr verschieden; wir haben nie viel Zeit miteinander verbracht, sogar als Kinder nicht. Er und unser Vater standen einander sehr nahe, und ich hatte mich viel enger an unsere Mutter angeschlossen als an unseren Vater.«
»Papa hat mir gesagt, dass eure Mutter ebenfalls den Blick hatte.«
»O ja, deine Großmutter hatte den Blick und erheblich mehr. Lynwen war zu ihrer Zeit eine mächtige Eulenmeisterin.«
Jaryd blieb stehen und starrte seinen Onkel ungläubig an. »Großmutter Lynwen war im Orden?«
Baden lächelte und nickte. »Ja, ebenso wie Lyris, ihre Mutter, meine Großmutter.«
Jaryd schüttelte den Kopf und ging langsam weiter, während Baden fortfuhr. »Dein Vater hat nie irgendwelche Anzeichen des Blicks an den Tag gelegt, auch keine anderen Manifestationen der Macht; zumindest hat er keine erwähnt. Und als ich es tat, haben wir uns ... entfremdet.« Baden hatte es nicht ausgesprochen, aber es lag deutlich in seinen Worten. »War Papa eifersüchtig?«
Baden sah Jaryd lange an, und seine Miene war unergründlich. Schließlich zuckte der Magier die Achseln. »Mag sein.« Sie hatten die Schmiede erreicht, aber Jaryd zögerte auf der Schwelle. »Warum bist du hier?«, fragte er seinen
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