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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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Hugo-Boss-Jeans verweilte, fühlte ich
mich geschmeichelt. Trotzdem schüttelte ich den Kopf. »Na, geben Sie auf?«
    »Ich fürchte.«
    Ich verriet ihr, dass ich
Beauftragter für die Nachkaufbetreuung in einem Kaufhaus in der Londoner City
war. Worauf sie wie aus der Pistole geschossen antwortete: »Was, in aller Welt,
ist das?«
    Jetzt war nicht die Zeit, zu
sehr ins Detail zu gehen. »Mein Job ist es, den Kunden zu helfen«, erklärte
ich, »wenn sie ein Problem mit der gekauften Ware haben. Wenn der Toaster nicht
funktioniert. Oder Vorhänge nicht ordentlich fallen.«
    »Verstehe«, sagte Poppy. »Sie
arbeiten in der Reklamationsabteilung.«
    »Mehr oder weniger«, räumte
ich ein und wollte hinzufügen: »Ich habe dort gearbeitet«, um ihr dann zu erklären, dass ich
seit fast sechs Monaten nicht mehr zur Arbeit gegangen war, aber etwas hielt
mich zurück. Ich hatte schon den armen Charlie mit Lebensbeichten überhäuft,
und es war ihm nicht gut bekommen. »So, und jetzt bin ich dran, oder?«
    Sie lächelte: »Das wäre nicht
fair. Sie erraten nie, was ich mache. Auch nicht mit tausend Versuchen.«
    Sie hatte ein nettes Lächeln,
das ihre weißen, ordentlichen, wenn auch etwas unregelmäßigen Zähne entblößte.
Mir kam der Gedanke, dass ich sie womöglich länger und neugieriger ansah, als
der Anstand erlaubte. Wie alt mochte diese Frau sein? Bereits jetzt unterhielt
ich mich lieber mit ihr als mit irgendjemandem sonst seit geraumer Zeit, dabei
musste sie mindestens zwanzig Jahre jünger sein als ich. Diese Einsicht gab mir
ein merkwürdiges Gefühl: halb Unbehagen, halb freudige Erregung.
    Mittlerweile hatte Poppy den
Reißverschluss wieder geöffnet und die Tasche so weit aufgeklappt, dass mein
Blick auf etwas Unerwartetes fiel, das sich darin verbarg: eine Art digitales
Aufnahmegerät, Profiqualität, wie es schien, mindestens so groß wie ein Buch,
dazu ein großes Mikrofon, das ebenfalls einen professionellen Eindruck machte,
robust, kompakt, in einen Windschutz aus grauem Polyester gehüllt. Kaum hatte
ich einen gründlichen Blick auf die Ausrüstung werfen können, zog sie die Tasche
wieder zu.
    »Bitte schön«, sagte sie. »Ein
Tipp.«
    »Das heißt ... Sie sind eine
Art Tonfrau.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das
ist nur ein Teil meines Jobs.«
    Ich spitzte die Lippen,
weitere Vorschläge wollten mir nicht einfallen.
    »Sie sagen, es gehört viel Herumreiserei
dazu«, soufflierte ich. »Ja. Um die ganze Welt. Letzte Woche war ich in Sao
Paulo.«
    »Und diese Woche in Singapur?«
    »Richtig. Und dabei - Tipp
Nummero zwei - habe ich den Flughafen nicht für eine Sekunde verlassen.«
    »Verstehe ... Sie machen also
Tonaufnahmen von den Flughäfen.«
    »Auch richtig.«
    Ich konnte mir beim besten
Willen nicht vorstellen, wo das hinführen sollte. »Und warum?«, musste ich sie
schließlich fragen.
    Poppy stellte ihre Kaffeetasse
behutsam auf dem Tisch ab und beugte sich vor, das Kinn auf beide Hände
gestützt.
    »Sagen wir es so: Ich arbeite
für eine Firma, die einer anspruchsvollen Kundschaft einen diskreten und
äußerst nützlichen Dienst zur Verfügung stellt.«
    »Was für eine Art Dienst?«
    »Ach, einen richtigen Namen
für den Job hab ich gar nicht, weil ich nie jemandem davon erzähle. Aber weil
ich für Sie schon eine Ausnahme gemacht habe, sagen wir mal, ich bin eine Art
Nachwuchs-Ehebruchshelferin.«
    Ein verruchtes Prickeln
durchlief mich beim Klang dieses Wortes. »Ehebruchshelferin?«, fragte ich.
Allein das Wort in den Mund zu nehmen war aufregend.
    »Also gut«, sagte Poppy, »ich
erklär's Ihnen. Mein Arbeitgeber - dessen Namen ich nicht verraten darf - hat
diese Agentur eröffnet. Für Leute, die sich Affären leisten - meistens Männer,
aber durchaus nicht nur - und Wert darauf legen, dass alles sicher und
reibungslos läuft. Der Ehebrecher von heute hat es nicht leicht. Die neuen
Technologien stellen ihn vor große Probleme. Die Möglichkeiten, mit jemandem in
Verbindung zu bleiben, werden immer zahlreicher, aber überall hinterlässt man
Spuren. Wenn man früher jemandem einen Liebesbrief geschrieben hat, lief man
schlimmstenfalls Gefahr, beim Einwerfen in den Briefkasten beobachtet zu
werden. Heute schreibt man jemandem haufenweise Textnachrichten, um sie dann
sauber aufgelistet auf seiner Telefonrechnung wiederzufinden. Man kann noch so
viele E-Mails von seinem Computer löschen, auf irgendeinem anonymen
Großrechner im Nirgendwo bleiben sie alle gespeichert. Man muss sich

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