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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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antworten, blieb sie vor mir stehen und
beäugte mich misstrauisch, sodass ich hinzufügte: »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie haben mich angestarrt.«
    »Stimmt«, gestand ich nach
kurzem Nachdenken. »Es tut mit leid. Ich bin müde, es war ein anstrengender
Flug. Es hat nichts zu bedeuten.«
    Sie dachte darüber nach, dann
sagte sie in unsicherem Tonfall: »Okay. Und Sie arbeiten auch nicht ... für
den Flughafen oder so?«
    »Nein«, sagte ich. »Ich
arbeite nicht für den Flughafen.«
    Sie nickte, offensichtlich
zufriedengestellt. Sie wollte sich schon abwenden, fügte aber noch hinzu: »Ich
tu nämlich nichts Verbotenes, verstehen Sie?«
    Wieder dieser unsichere Ton in
der Stimme, als wäre sie selber nicht davon überzeugt, dass sie die Wahrheit
sagte. Ich wollte sie beruhigen: »Das hatte ich auch nicht vermutet.« Ich
versuchte zu erkennen, was sie unter der Jacke verbarg, wo eine deutliche Ausbuchtung
zu sehen war, aber ohne Erfolg. Sie machte erneut Anstalten, sich abzuwenden,
aber etwas schien sie davon abzuhalten. Vielleicht war sie müde und hätte sich
gerne gesetzt.
    »Darf ich Ihnen einen Kaffee
holen?«, fragte ich.
    Abrupt ließ sie sich in den
Stuhl neben mir fallen. »Das wäre wunderbar. Ich bin fix und fertig.«
    »Was für einen?«
    Sie bat um einen Kaffee mit
fettarmer Milch und einem Schuss Ahornsirup, und ich ging ihn ihr holen. Als
ich mit unseren Tassen zurückkam, beulte ihre Jacke sich nicht mehr aus; was
immer sie darunter verborgen hatte, war jetzt in ihrer Handtasche verschwunden,
einem unförmigen, geräumigen Teil, dessen Reißverschluss sie gerade zuzog - wieder
mit dieser leisen Verstohlenheit im Blick, die jede ihrer Bewegungen zu
begleiten schien.
    Ich beschloss, mir die Neugier
unter keinen Umständen anmerken zu lassen, und hielt das Gespräch auf
Small-Talk-Niveau.
    »Ich heiße Max«, sagte ich.
»Maxwell Sim. Sim, wie der ...« - nach einem Blick auf sie und kurzem Zögern -
» ... wie die Chipkarte im Handy.«
    Sie hatte ihren Reißverschluss
zugezogen und streckte die Hand aus. »Poppy«, sagte sie. »Wo fliegen Sie hin?«
    »Zurück nach London«,
antwortete ich. »Nur ein kurzer Zwischenstopp hier. Ein paar Stunden. Wenn ich
morgen aufwache, bin ich in Heathrow. Ich komme aus Australien.«
    »Ein langer Flug. Geschäfte?
Urlaub?«
    »Urlaub. Theoretisch.« Ich
schlürfte etwas Kaffee und murmelte in den Schaum: »Eine Art Goodwill-Trip.
Und Sie?«
    »Nein, ich bin auf
Dienstreise.«
    »Tatsächlich?« Ich bemühte
mich, mir die Verwunderung nicht anmerken zu lassen. Jetzt, nachdem wir ins
Gespräch gekommen waren, erschien sie mir noch jünger als vorher - kaum über
das Studentenalter hinaus -, und es fiel mir schwer, in ihr eine Geschäftsfrau
zu sehen. So sah sie beim besten Willen nicht aus.
    »Klar«, sagte sie. »In meinem
Job ist man ständig unterwegs. Im Grunde mache ich kaum etwas anderes.«
    »Und eben gerade ... haben Sie
da gearbeitet?«, fragte ich aus einer Eingebung heraus. Eigentlich eine
unverschämte Frage, aber sie schien das nicht so zu sehen.
    »Als Sie mich beobachtet
haben?«
    Ich nickte.
    »Ja, stimmt, da habe ich
gearbeitet.« Offenbar wollte sie nicht mehr dazu sagen. »Es geht mich ja
wirklich nichts an, was Sie beruflich machen.«
    »Richtig«, sagte Poppy,
»schließlich kennen wir uns kaum. Ich weiß gar nichts über Sie.«
    »Also«, begann ich, »ich
arbeite -«
    »Sagen Sie nichts.« Poppy hob
die Hand. »Drei Mal darf ich raten, okay?«
    »Okay.«
    Sie lehnte sich mit
verschränkten Armen zurück und sah mich an, ein neugieriges Funkeln im Blick.
    »Sie schreiben Software für
eine Computerspielfirma, deren Produkte wegen ihrer frauenfeindlichen
Gewaltdarstellungen verschrien sind.«
    »Nein, um Himmels willen.
Eiskalt.«
    »Na gut. Sie betreiben auf
einem kleinen Bauernhof in den Cotwolds eine biologische Geflügelzucht.«
    »Auch nicht.«
    »Sie sind Starfriseur. Zaubern
Kylie Minogue die Strähnchen ins Haar.«
    »Leider nicht.«
    »Sie arbeiten bei einem
Herrenausstatter in Cheltenham. Maßgeschneiderte dreiteilige Anzüge mit
beängstigend exakten Beinanmessungen.«
    »Nein. Und das waren vier Versuche. Aber es wird
wärmer.«
    »Ein Mal noch?«
    »Na gut.«
    »Also, wie wär's mit ... Außerordentlicher
Professor für Mode-Textil-Design an der Universität von Ashby-de-la-Zouch?«
    Eigentlich war ich immer der
Meinung, leidlich gut gekleidet zu sein, und weil ihr Blick bei diesem
Vorschlag auf meinem Lacoste-Hemd und den

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