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Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schutzengel
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Meter entfernt, und beide machten ein paar Fotos,
auf denen sie breitbeinig mit einem Fuß in jedem Land standen.
    Sie betraten den kleinen
Supermarkt und fragten nach den Walküren. Die Besitzerin der dazugehörenden
Snack-Bar sagte, sie habe »diese Lesben« am Morgen gesehen, sie seien aber
schon weitergezogen .
    »Nach Mexiko?«, erkundigte sich
Paulo.
    »Nein, nein. Sie sind auf der
Straße in Richtung Tucson unterwegs.«
    Paulo und Chris kehrten ins Motel
zurück und setzten sich auf die Veranda. Den Wagen hatten sie direkt davor geparkt.
    »Schau nur, wie staubig der Wagen
ist«, sagte Paulo nach ein paar Minuten. »Ich möchte ihn waschen.«
    »Der Besitzer des Motels wird es
nicht gern sehen, wenn wir sein Wasser dafür verschwenden. Wir sind in der
Wüste, falls du es vergessen hast.«
    Paulo sagte nichts. Er stand auf,
holte die Schachtel mit den Papiertaschentüchern aus dem Handschuhfach und fing
an, den Wagen abzuwischen. Chris blieb auf der Veranda sitzen.
    >Er ist aufgeregt. Er kann
nicht stillsitzen<, dachte sie.
    »Ich muss dir etwas Wichtiges
sagen«, begann sie.
    »Du hast deine Arbeit gut gemacht,
keine Angst«, antwortete er, während er ein Papiertaschentuch nach dem anderen
verbrauchte.
    »Und genau darüber möchte ich mit
dir reden«, ließ Chris nicht locker. »Ich bin nicht hierher gekommen, um eine
Arbeit zu machen. Ich bin hierher gekommen, weil ich das Gefühl hatte, dass
unsere Ehe dabei ist zu zerbrechen.«
    >Sie spürt es also auch<,
dachte er, konzentrierte sich aber weiter auf seine Aufgabe.
    »Ich habe deine spirituelle Suche
immer respektiert, aber ich habe auch meine eigene«, sagte Chris. »Und ich
werde meine Suche weiter betreiben, ich möchte, dass das ganz klar ist. Ich
werde weiter zur Kirche gehen.«
    »Ich gehe auch in die Kirche.«
    »Aber das hier ist anders, und das
weißt du auch. Du hast diesen Weg gewählt, um mit Gott zu kommunizieren, ich
einen anderen.«
    »Das will ich auch nicht ändern.«
    »Aber«, und sie holte tief Luft,
weil sie nicht wusste, wie seine Antwort ausfallen würde, »etwas geschieht mit
mir. Ich möchte auch mit meinem Engel sprechen.«
    Sie stand auf und ging zu ihm. Sie
sammelte die auf dem Boden verstreuten Papiertaschentücher eines nach dem anderen
auf.
    »Tu mir einen Gefallen!«, sagte
sie und blickte ihrem Mann tief in die Augen. »Verlass mich nicht auf halbem
Wege!«
     
    A n der
Tankstelle gab es hinten auch eine Snack-Bar. Sie setzten sich ans Fenster. Sie
waren kurz vorher aufgewacht, und die Welt war noch ganz still. Draußen lagen
die Ebene, die unendliche gerade Asphaltstraße und die Stille.
    Chris sehnte sich nach Borrego Springs, nach Gringo Pass
und nach Indio Pass. Dort hatte die Wüste ein Gesicht, Berge, Täler, und es gab
Geschichten von Pionieren und Konquistadoren.
    Hier sah man nur eine unendliche
Leere. Und die Sonne. Die Sonne würde bald alles in Gelb tauchen, die
Temperatur auf 55 Grad im Schatten ansteigen lassen (wobei es gar keinen
Schatten gab) und das Leben für Mensch und Tier unmöglich machen.
    Ein junger Mann kam zu ihnen an
den Tisch. Er sah aus wie ein Chinese und sprach mit Akzent - sicher war er
noch nicht lange hier. Chris stellte sich vor, was wohl alles geschehen sein
mochte, um diesen Chinesen in eine Snack-Bar mitten in der Wüste zu bringen.
    Sie bestellten Kaffee, Eier, Speck
und Toast. Und schwiegen weiter.
    Chris fiel der Blick des jungen
Mannes auf - er war fest auf den Horizont gerichtet und wirkte wie der Blick
eines Menschen, dessen Seele gewachsen war.
    Aber nein, er machte keine heilige
Übung und versuchte auch nicht, sich spirituell weiterzuentwickeln. Aus seinem
Blick sprach Langeweile. Der junge Mann sah überhaupt nichts - weder die Wüste
noch die Straße, noch die beiden Kunden, die so früh am Morgen aufgetaucht
waren. Er beschränkte sich darauf, das zu tun, was man ihm beigebracht hatte -
Kaffee in die Maschine füllen, die Eier braten, »Womit kann ich dienen?« oder
»danke« sagen, als wäre er ein gezähmtes Tier ohne Gefühle oder eigene Reflexe.
Der Sinn seines Lebens schien in China zurückgeblieben zu sein oder war in der
unendlichen, bäum- und felsenlosen Ebene verschwunden.
    Der Kaffee kam. Sie tranken ihn
gemächlich. Sie hatten nichts weiter vor.
    Paulo schaute auf den draußen
geparkten Wagen, der, obschon er ihn doch vor wenigen Tagen erst abgewischt
hatte, wieder ganz staubig war.
    Sie hörten ein Geräusch in der
Ferne. Bald würde der erste Lastwagen des

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